Gips vs. Lehm: Wie sieht die Zukunft des Trockenbaus aus?

Von Dominik Hochwarth

Der Trockenbau ist ein essenzieller Bestandteil der modernen Bauindustrie. Er ermöglicht eine schnelle Bauweise, bietet hohe Flexibilität und ist wirtschaftlich effizient. Bislang dominieren Gipskartonplatten (GKP) den Markt. Doch mit dem Kohleausstieg bis 2038 und der damit einhergehenden Verknappung von REA-Gips gerät dieser Baustoff zunehmend unter Druck. Die Frage nach nachhaltigen Alternativen wird immer dringlicher. Eine neue Studie des VDI Zentrum Ressourceneffizienz (VDI ZRE) untersucht, ob Lehmbauplatten eine ökologisch und wirtschaftlich sinnvolle Alternative darstellen.

Gipskarton oder Lehmbauplatte
Gipskarton oder Lehmbauplatte? Welche Trockenbausysteme bestimmen die Zukunft?

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Gipskarton: Ein bewährtes, aber nicht zukunftssicheres Material

Gipskartonplatten bestehen größtenteils aus REA-Gips oder Naturgips. Während REA-Gips als Nebenprodukt der Kohleverstromung entsteht, wird Naturgips in Steinbrüchen abgebaut. Der Vorteil von REA-Gips liegt darin, dass es sich um ein Recyclingprodukt handelt. Doch mit dem Kohleausstieg fällt diese Quelle weitgehend weg. Naturgips bleibt als Alternative, doch dessen Abbau ist umstritten. Er verändert Landschaften, belastet Ökosysteme und verursacht hohe CO₂-Emissionen. Zwar gibt es Recycling-Gips, aber dessen Anteil bleibt gering, da das Aufbereitungsverfahren teuer und logistisch aufwendig ist. Damit steht die Gipskartonindustrie vor einem Versorgungsproblem.

Lehmbauplatten: Eine nachhaltige Alternative mit Potenzial

Lehmbauplatten bestehen aus natürlichen, regional verfügbaren Materialien. Sie punkten vor allem durch ihre Umweltfreundlichkeit. Ihre CO₂-Bilanz ist besser als die von Gipskartonplatten, da sie mit weniger Energieaufwand produziert werden. Zudem benötigen sie weniger Wasser und enthalten keine kritischen Rohstoffe. Sie wirken feuchtigkeitsregulierend, sind schadstofffrei und bieten ein angenehmes Raumklima.

Doch trotz dieser Vorteile haben sie auch Schwächen. Der Energieverbrauch in der Produktion ist höher als bei Gipskartonplatten, da die Trocknung von Lehmplatten aufwendig ist. Zudem verbrauchen sie mehr Rohstoffe pro Quadratmeter. Auch die Herstellungskosten sind aktuell noch deutlich höher. Dennoch sehen Forschende in Lehmbauplatten eine vielversprechende Lösung für nachhaltiges Bauen.

Detaillierter Vergleich: Ökologische und ökonomische Aspekte

Die Studie des VDI ZRE zieht einen umfassenden Vergleich zwischen Gipskartonplatten und Lehmbauplatten, um deren Vor- und Nachteile transparent zu machen.

Ökologische Bewertung:

  • CO₂-Emissionen: Lehmbauplatten verursachen mit 5,3 kg CO₂e/m² geringere Emissionen als Gipskartonplatten, die je nach Zusammensetzung zwischen 6,5 und 6,9 kg CO₂e/m² liegen.
  • Wasserverbrauch: Lehmplatten benötigen weniger Wasser in der Produktion als Gipskartonplatten, was sie besonders in Regionen mit Wasserknappheit interessant macht.
  • Energieaufwand: Der kumulierte Energieaufwand für die Produktion liegt bei Lehmbauplatten mit 128 MJ/m² höher als bei Gipskartonplatten (98–104 MJ/m²).
  • Ressourcenverbrauch: Gipskartonplatten benötigen 10–12 kg Rohstoffe pro Quadratmeter, während Lehmbauplatten mit 29 kg/m² mehr Material verbrauchen.
  • Flächenbedarf: Der Abbau von Naturgips nimmt große Flächen in Anspruch und zerstört Landschaften. Lehm hingegen ist regional verfügbar und benötigt keinen industriellen Abbau.

Wirtschaftliche Bewertung:

  • Produktionskosten: Lehmbauplatten kosten aktuell zwischen 35 und 50 €/m², während Gipskartonplatten bereits für 17–40 €/m² erhältlich sind. Damit sind Lehmplatten aktuell etwa doppelt so teuer.
  • Materialkostenanteil: Während bei Gipskartonplatten die Materialkosten 40–50 % ausmachen, liegt dieser Anteil bei Lehmbauplatten bei 50–80 %.
  • Marktfähigkeit: Lehmbauplatten werden aktuell vor allem in ökologisch orientierten Bauprojekten genutzt. Eine breitere Marktanwendung scheitert noch an den hohen Kosten.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Damit Lehmbauplatten eine echte Alternative werden können, müssen einige Hürden überwunden werden:

  • Kostenreduktion: Die Produktion von Lehmbauplatten muss effizienter und kostengünstiger gestaltet werden. Neue Fertigungsmethoden könnten dabei helfen.
  • Bessere Verfügbarkeit: Während Gipskartonplatten in großen Mengen produziert werden, ist die Herstellung von Lehmbauplatten noch begrenzt. Skaleneffekte könnten die Preise senken.
  • Fördermaßnahmen: Staatliche Anreize oder Bauvorschriften könnten die Nachfrage nach nachhaltigen Baustoffen wie Lehmplatten steigern.
  • Technische Weiterentwicklung: Forschung und Entwicklung könnten dazu beitragen, dass Lehmbauplatten noch widerstandsfähiger und kostengünstiger werden.

Zukunftsperspektiven: Wohin geht die Reise?

Die Wahl zwischen Gipskarton- und Lehmbauplatten hängt von mehreren Faktoren ab: Rohstoffverfügbarkeit, Umweltfreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit. Kurzfristig bleiben Gipskartonplatten günstiger und leichter verfügbar. Langfristig könnten jedoch steigende Gipskosten und ökologische Auflagen den Markt zugunsten der Lehmbauplatten verschieben. Besonders in nachhaltigen Bauprojekten könnten sie eine Schlüsselrolle spielen.

Fazit: Nachhaltigkeit als Chance

Lehmbauplatten bieten viele ökologische Vorteile, haben aber noch wirtschaftliche Hürden zu überwinden. Während Gipskartonplatten aktuell noch dominieren, könnte sich die Situation in Zukunft ändern. Ein Umdenken hin zu nachhaltigeren Materialien ist notwendig – und Lehmbauplatten könnten dabei eine entscheidende Rolle spielen.

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