Die Chesapeake Bay Bridge-Tunnel (CBBT) ist mehr als nur eine Verkehrsverbindung. Sie ist eine Konstruktion aus Brücken, künstlichen Inseln und unterseeischen Tunneln. Insgesamt 37 Kilometer misst die Anlage – von der Küste bei Virginia Beach bis zur Delmarva-Halbinsel.
Seit 1964 ersetzt sie ein umständliches Fährsystem und verkürzt die Fahrtzeit zwischen dem Südosten Virginias und dem Norden Marylands erheblich. Rund vier Millionen Fahrzeuge überqueren das Bauwerk jährlich. Was nach außen schlicht wirkt, hat im Inneren eine komplexe Geschichte – voller Technik, Konflikte und Ingenieurskunst.

Das erwartet Sie in diesem Beitrag
- Verkehrsader und politische Entscheidung
- Finanzierung ohne Steuergelder
- Technik unter Wasser: Inseln und Tunnel
- Ein Sturm verändert alles
- Wachsende Bedeutung – wachsende Infrastruktur
- TBM „Chessie“ auf unterirdischer Mission
- Logistik: Aushub auf dem Wasserweg
- Touristische Aspekte und Umwelt
- Rückblick: Zwischenfälle und Lehren
Verkehrsader und politische Entscheidung
Die Idee zu einer festen Verbindung über die Chesapeake Bay entstand in den 1950er-Jahren. Bis dahin waren Fähren das einzige Verkehrsmittel zwischen Festland und Halbinsel. Diese gerieten bei schlechtem Wetter schnell an ihre Grenzen. Die Virginia General Assembly gründete 1954 die Chesapeake Bay Ferry Commission – mit dem Ziel, Alternativen zu prüfen.
Zunächst standen Hochbrücken zur Diskussion. Doch das US-Militär legte Veto ein: Ein Einsturz hätte die Naval Station Norfolk vom Atlantik abgeschnitten. Also empfahlen Ingenieur*innen eine Kombination aus Brücken und Tunneln – unter den beiden wichtigsten Schifffahrtskanälen sollten Autos unter dem Meeresboden hindurchfahren.
Finanzierung ohne Steuergelder
Für den Bau flossen keine staatlichen Gelder. Stattdessen setzten die Planer auf ein damals unübliches Modell: Die Finanzierung erfolgte ausschließlich über Mautanleihen. 1960 wurden Papiere im Wert von 200 Millionen US-Dollar verkauft. Rückzahlung und Zinsen sollten durch spätere Mautgebühren gedeckt werden.
Der damalige Kommissionsvorsitzende Lucius J. Kellam Jr. war treibende Kraft hinter dem Projekt. Trotz Kritik – das Bauwerk sei zu riskant und zu teuer – hielt er an der Vision fest. 1987 wurde die Anlage nach ihm benannt.
Technik unter Wasser: Inseln und Tunnel
Die Ingenieurinnen und Ingenieur planten zwei Tunnelabschnitte – je 1,6 Kilometer lang. Um sie zu bauen, wurde zunächst ein Graben am Meeresboden ausgehoben. Anschließend wurden vorgefertigte Röhren mit Seilen von Pontons in die Gräben abesenkt. Die Röhren füllte man mit Wasser, richtete sie aus, verschraubte sie unter Wasser und pumpte das Wasser wieder heraus.
Zur Stabilisierung wurden vier künstliche Inseln errichtet. Jeweils zwei markieren die Eingänge zu den Tunneln. Die übrige Strecke führt über niedrige Brücken, Hochbrücken und Dämme – insgesamt 28,3 Kilometer zwischen den Zufahrten. Der Höhenunterschied zwischen Nord- und Südende beträgt dabei nur rund 15 Zentimeter.
Ein Sturm verändert alles
Der Bau begann 1960 – unter erschwerten Bedingungen. Der Ash-Wednesday-Sturm von 1962 zerstörte Teile des Projekts. Auch das Spezialgerät „The Big D“ – ein riesiger Rammponton – wurde vom Atlantik versenkt. Insgesamt kamen sieben Arbeiter während der Bauzeit ums Leben.
Dennoch wurde das Projekt nach nur dreieinhalb Jahren abgeschlossen. Am 15. April 1964 öffnete die Chesapeake Bay Bridge-Tunnel ihre Tore für den Verkehr.

Wachsende Bedeutung – wachsende Infrastruktur
Mit dem steigenden Verkehrsaufkommen wurde die zweispurige Anlage bald zu eng. Ende der 1990er-Jahre entstand eine parallele Fahrbahn – ebenfalls mautfinanziert. 1999 waren beide Seiten des über Wasser liegenden Abschnitts vierspurig ausgebaut.
Die Tunnel blieben jedoch zweispurig – ein Nadelöhr inmitten der Strecke. 2013 fiel die Entscheidung: Der Thimble Shoal Tunnel soll verdoppelt werden.
TBM „Chessie“ auf unterirdischer Mission
Der neue Tunnel wird mit einer Tunnelbohrmaschine (TBM) gebaut – einer der größten ihrer Art in den USA. Der Auftrag ging an das deutsche Unternehmen Herrenknecht. Die Maschine, rund 99 Meter lang, erhielt nach einem Namenswettbewerb den Spitznamen „Chessie“.
Die sogenannte EPB-Technologie (Earth Pressure Balance) sorgt dafür, dass beim Graben kein Wasser eindringt und der Meeresboden stabil bleibt. „Chessie“ bohrt mit einem Durchmesser von 13,2 Metern – langsam, aber kontinuierlich. Durchschnittlich 15 Meter pro Tag arbeitete sich die Maschine durch Sand, Gestein und Ablagerungen.
Besonders heikel war der Vortrieb unter den künstlichen Inseln. Dort lagen große Gesteinsbrocken, die zu Umleitungen zwangen. Ein alter Schiffsanker sorgte für zusätzliche Verzögerung. Die Lösung: Er wurde vor dem Schneidkopf zerlegt und entfernt.
• Länge: ca. 1,6 km
• Durchmesser außen: 13 m, innen: 12 m
• Bauweise: EPB-Tunnelbohrmaschine
• Bauzeit: 2017 bis voraussichtlich 2028
• Aushub: ca. 380.000 m³
• Betonsegmente: ca. 9.000 Stück
Logistik: Aushub auf dem Wasserweg
Der Erdaushub wurde über ein Förderband direkt auf Schiffe verladen. Der Transport erfolgte per Wasserweg – um umliegende Straßen nicht zu belasten. Die Einzelteile des Tunnels bestehen aus rund 9.000 Betonringen, gefertigt aus über 32.000 m³ Beton.
Das Projekt hat sich mehrmals verzögert. Ursprünglich für 2023 geplant, ist die Fertigstellung nun für 2028 angesetzt. Die Baukosten liegen bei knapp 756 Millionen US-Dollar. Finanziert wird erneut über ein Darlehen – diesmal mit Bundesmitteln aus dem Infrastructure Investment and Jobs Act.
Die CBBT ist die einzige Autobrücke in Virginia mit eigener Polizeieinheit. Notrufsäulen stehen alle 800 Meter. Fahrräder sind nicht erlaubt, es gibt jedoch einen Shuttle-Service. Auch für Gefahrgut gelten strenge Regeln – je nach Wetterlage sind bestimmte Fahrzeuge verboten. Bei Windgeschwindigkeiten über 110 km/h wird die gesamte Strecke gesperrt.

Touristische Aspekte und Umwelt
Die Anlage ist auch ein Ziel für Reisende: Aussichtspunkte, ein Angelpier und das frühere Restaurant auf einer der Inseln machten sie beliebt. Wegen der Tunnelbauarbeiten ist der Zugang aktuell eingeschränkt. Der Sea Gull Pier soll ab 2028 wieder geöffnet werden.
Zudem sind die künstlichen Inseln ein Magnet für Vögel. Naturbeobachter*innen kommen regelmäßig, um Seevögel aus nächster Nähe zu beobachten. Die Brücke verläuft auch durch das Eastern Shore National Wildlife Refuge.
Rückblick: Zwischenfälle und Lehren
In der Geschichte der CBBT kam es mehrfach zu Zwischenfällen – etwa durch Kollisionen mit Schiffen oder Stürme. 1970 riss ein Navy-Frachter bei Sturm eine Brückenspanne heraus. Die Marine organisierte daraufhin einen kostenlosen Helikopterdienst für Pendler*innen.
Auch Fahrzeuge stürzten mehrfach ins Wasser – zuletzt 2020. Seitdem wurden die Sicherheitsvorkehrungen weiter verbessert. Neue Schutzsysteme und Schranken sollen Unfälle vermeiden.