War Stonehenge nur eine Kopie? Flagstones ist viel älter

Von Dominik Hochwarth

Archäologische Untersuchungen zeigen, dass das steinzeitliche Monument Flagstones in England rund 300 Jahre älter als die frühesten Bauphasen von Stonehenge ist. Die Bauwerke weisen große Ähnlichkeiten auf, was die Frage aufwirft, ob Stonehenge von Flagstones inspiriert wurde. Dennoch wurde Flagstones bereits nach wenigen Jahrhunderten aufgegeben, während Stonehenge über Jahrtausende genutzt und weiterentwickelt wurde.

Flagstones
Flagstones, kurz nach der Errichtung in der mittleren Jungsteinzeit. Rekonstruktion von Jennie Anderson

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Ein steinzeitliches Mysterium

Die Megalith-Kultur brachte zahlreiche beeindruckende Bauwerke hervor. Während Stonehenge zu den bekanntesten zählt, rückt nun ein weniger bekanntes Monument in den Fokus der Forschung: Flagstones. Diese Anlage, die sich an der Südküste Englands in der Nähe von Dorchester befindet, ist nach neuesten archäologischen Untersuchungen mindestens 285 Jahre älter als die frühesten Bauphasen von Stonehenge.

In der Jungsteinzeit entstanden in Europa zahlreiche monumentale Bauwerke, die sowohl religiöse als auch gesellschaftliche Funktionen hatten. Besonders in Großbritannien und Irland wurden kreisförmige Strukturen errichtet, die vermutlich als Kultstätten dienten. Einige von ihnen bestanden aus Holzpfosten, andere später aus massiven Steinblöcken. In diese Tradition reiht sich auch Flagstones ein, eine der ältesten bekannten Kreisgrabenanlagen der Region.

Die frappierenden Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Orten legen nahe, dass Stonehenge von Flagstones inspiriert worden sein könnte. Doch warum geriet Flagstones in Vergessenheit, während Stonehenge weiter ausgebaut und bis heute bekannt blieb?

Die Bauweise von Flagstones

Flagstones ist eine kreisförmige Anlage mit einem Durchmesser von rund 100 Metern. Der Ringgraben ist in Segmente unterteilt und war vermutlich von aufgeschichteten Kalkwällen umgeben. Diese Bauweise erinnert stark an frühe Phasen von Stonehenge. Innerhalb des Grabens fanden Archäologen menschliche Überreste, darunter verbrannte Knochen, was auf Bestattungsrituale hinweist. Die Toten wurden in verschiedenen Abschnitten der Anlage beigesetzt, was darauf hindeutet, dass Flagstones nicht nur als Zeremonialstätte, sondern auch als Begräbnisplatz diente.

Bei neuen Untersuchungen analysierten Forschende organische Reste aus dem Monument mit der Radiokarbonmethode. Die Ergebnisse zeigten, dass die ersten Bauphasen von Flagstones auf etwa 3650 v. Chr. datieren. Die Fertigstellung erfolgte um 3200 v. Chr. Das bedeutet, dass Flagstones nicht nur älter als Stonehenge ist, sondern auch zu den frühesten bekannten Kreisanlagen in Großbritannien gehört. Die präzise kreisförmige Anordnung der Anlage markiert zudem einen wichtigen Entwicklungsschritt in der Architektur der Jungsteinzeit.

Ein Vorbild für Stonehenge?

Dr. Susan Greaney von der University of Exeter beschreibt Flagstones als ein „ungewöhnliches Bauwerk“, das Merkmale früherer und späterer Monumente vereint. Die ersten Bauphasen von Stonehenge, die auf etwa 2900 v. Chr. datiert werden, zeigen deutliche Parallelen zur Struktur von Flagstones. Beide Monumente bestanden zunächst aus segmentierten Gräben und wurden als Bestattungsstätten genutzt. Auch der rituelle Umgang mit Asche und Feuer scheint beiden Anlagen gemeinsam zu sein.

Diese Gemeinsamkeiten lassen vermuten, dass die Erbauer von Stonehenge sich an Flagstones orientierten oder von ähnlichen Ritualen inspiriert wurden. Ob es sich dabei um eine bewusste Kopie oder um eine unabhängige Weiterentwicklung ähnlicher kultureller Traditionen handelt, lässt sich heute nicht eindeutig klären. Klar ist jedoch, dass beide Anlagen eine neue Tradition von Kreisgrabenmonumenten in ihrer Region begründeten.

Warum wurde Flagstones aufgegeben?

Ein bemerkenswerter Unterschied zwischen den beiden Monumenten ist ihre Nutzung über die Jahrhunderte hinweg. Während Stonehenge mehrfach umgebaut und weiterentwickelt wurde, scheint Flagstones relativ schnell an Bedeutung verloren zu haben. Archäologen fanden kaum Spuren aus späteren Epochen, was darauf hindeutet, dass die Anlage nach einigen Jahrhunderten nicht mehr genutzt wurde.

Ein möglicher Grund könnte in einem Wandel der rituellen Praktiken oder in gesellschaftlichen Umbrüchen liegen. Auch Umweltveränderungen oder Konflikte könnten dazu geführt haben, dass die Menschen Flagstones aufgaben. Interessanterweise wurde nur wenige Kilometer entfernt um 2600 v. Chr. eine neue monumentale Anlage errichtet: Mount Pleasant. Diese ovale Kreisgrabenanlage war mit etwa 370 Metern an ihrer längsten Achse erheblich größer als Flagstones und wurde mit einem hölzernen Palisadenring umgeben. Es ist denkbar, dass Mount Pleasant die rituellen Funktionen von Flagstones übernahm und damit das alte Monument in den Hintergrund drängte.

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