Braucht es wirklich rund 3.000 DIN-Normen und Bauvorschriften, um qualitativ hochwertige Gebäude zu errichten? Viele Architekten und Experten sind der Meinung, dass dies längst nicht mehr nötig ist. Die Einführung des neuen Gebäudetyps E könnte eine Wende in der Baubranche einläuten und die Kosten sowie den Aufwand erheblich reduzieren. Am 11. Juli stellte das Bundesjustizministerium einen Entwurf für den Gebäudetyp E vor, der genau das ermöglichen soll.
Das erwartet Sie in diesem Beitrag
- Ziel und Zweck des Gebäudetyps E
- Änderungen im Bauvertragsrecht
- Stimmen aus der Baubranche
- Herausforderungen und Ausblick
Ziel und Zweck des Gebäudetyps E
Der Gebäudetyp E zielt darauf ab, den Wohnungsbau, besonders in Ballungszentren, zu beschleunigen und zu vereinfachen. Durch den Abbau unnötiger Komfort-Standards soll der Bau günstiger werden, ohne die Sicherheit der Gebäude zu gefährden. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat den Gesetzentwurf zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus bereits zur Abstimmung an die anderen Ressorts der Bundesregierung geschickt.
Das sogenannte Gebäudetyp-E-Gesetz sieht vor, dass Bauherren bei Neubauten auf bestimmte Komfort-Standards verzichten können. Diese Standards haben keinen Einfluss auf die Sicherheit des Gebäudes, wie etwa Brandschutz oder Statik. Beispiele sind die Raumhöhe, die Anzahl der Steckdosen oder die Art der Fenster. Ein weiteres Beispiel ist die vorgeschriebene Innentemperatur im Badezimmer.
Änderungen im Bauvertragsrecht
Der Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums beinhaltet drei wesentliche Änderungen des Bauvertragsrechts:
- Präzisere Definition der „anerkannten Regeln der Technik“: Komfort-Standards sollen nicht mehr als anerkannte Regeln der Technik gelten.
- Erleichterung der Abweichung von den „anerkannten Regeln der Technik“: Dies gilt insbesondere für Verträge zwischen fachkundigen Unternehmern.
- Kein automatischer Sachmangel bei Abweichung: Abweichungen von Komfort-Standards sollen nicht mehr automatisch als Sachmangel gewertet werden.
Darüber hinaus soll das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) um eine neue Vermutungsregelung ergänzt werden. Diese Regelung besagt, dass Komfort-Standards im Allgemeinen keine anerkannten Regeln der Technik sind, während sicherheitsrelevante technische Normen weiterhin gelten.
Stimmen aus der Baubranche
Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, sieht den Entwurf positiv: „Das ist ein großartiger berufspolitischer Erfolg. Ein sinnvolles Maß an Normierung und Standardisierung war schon längst überschritten. Mit dem Gebäudetyp E können wir innovative und einfache Bauprojekte realisieren.“
Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), stimmt zu: „Der Entwurf geht in die richtige Richtung. Viele Normen, besonders bei der Haustechnik, erhöhen unnötig die Baukosten. Einfachere und robustere Technik sollte bevorzugt werden, um die Wartungskosten zu senken.“
Dirk Salewski, Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien (BFW), fordert: „Dieser Entwurf ist ein wichtiger Schritt, um die Baukosten zu senken. Es ist wichtig, dass auch private Bauherren von diesen Erleichterungen profitieren.“
Frank Ernst, Geschäftsführer der TGA-Repräsentanz Berlin, warnt jedoch: „Es ist wichtig, dass auch Gebäude des Typs E mit der nötigen Technik ausgestattet werden, um eine dauerhafte Nutzung zu gewährleisten. Ein Verzicht auf wichtige Technik könnte später kostspielige Nachrüstungen erforderlich machen.“
Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e.V., sieht in dem Entwurf einen wichtigen Lösungsansatz für bezahlbares Wohnen: „Die Anforderungen an Gebäude wurden in den letzten Jahrzehnten immer weiter verschärft, was zu unnötig hohen Baukosten führte. Der Entwurf des Gebäudetyp E schafft hier eine neue Rechtssicherheit und Klarheit.“
Herausforderungen und Ausblick
Die Einführung des Gebäudetyps E könnte eine deutliche Reduktion der Baukosten und eine Beschleunigung des Wohnungsbaus ermöglichen. Allerdings gibt es auch Herausforderungen. Die Balance zwischen Kostensenkung und dem Erhalt wichtiger Standards für die Gebäudesicherheit und Lebensqualität der Bewohner muss gewahrt bleiben.
Es wird spannend zu sehen, wie der Gebäudetyp E in der Praxis umgesetzt wird und welche Best-Practice-Beispiele in den kommenden Jahren entstehen. Die Diskussionen der vergangenen Monate haben gezeigt, dass die Baubranche bereit für Veränderungen ist. Jetzt kommt es darauf an, diese Veränderungen auch erfolgreich umzusetzen.