Im Jahr 2007 startete der FC Valencia ein ambitioniertes Projekt: ein neues Stadion mit 75.000 Plätzen sollte entstehen, modern, großzügig und repräsentativ. Doch die Finanzkrise 2008 traf den Verein hart. Bereits 2009 musste der Bau gestoppt werden. Zurück blieb ein Rohbau aus Beton und Stahl – ein „Geisterstadion“ mitten in der Stadt. Erst 2025, nach 16 Jahren Stillstand, begannen die Bauarbeiten wieder.

Das erwartet Sie in diesem Beitrag
- Planung, Finanzierung und Kapazität
- Technische Besonderheiten der Konstruktion
- Innovative Dachkonstruktion
- Tragstruktur des Nou Mestalla
- Zustand nach 16 Jahren Stillstand überprüft
- Dachkonstruktion musste an neue Anforderungen angepasst werden
- Mangelnde Sorgfalt bei der Prüfung?
- Ein Stadion für alle Zwecke
- Fortschritt im Zeitplan?
- WM 2030: Chance vertan?
Das Nou Mestalla entsteht im Viertel Benicalap, auf einem ehemaligen Industriegelände. In direkter Nachbarschaft liegt das Kongresszentrum Palau de Congressos. Auch die markante Skulptur „La Dama Iberica“ ist nicht weit entfernt. Trotz modernem Anspruch bleibt die Verbindung zur Vereinsgeschichte erhalten: Der „Canal de Mestalla“ fließt durch das neue Stadiongelände und symbolisiert die Kontinuität.
Planung, Finanzierung und Kapazität
Ursprünglich auf 344 Millionen Euro veranschlagt, wurde das Projekt mehrfach abgespeckt. Heute liegen die geschätzten Kosten bei etwa 350 Millionen Euro, wovon ein Großteil über Kredite finanziert wird.
Der Club setzt auf Einnahmen durch Hospitality, VIP-Logen und Veranstaltungen. Die geplante Kapazität wurde mehrfach angepasst: von 75.000 auf 62.000, später auf 55.000 und zuletzt auf 49.000 Plätze. Eine Erweiterung auf 70.000 ist modular vorgesehen – beispielsweise für die WM 2030.
Technische Besonderheiten der Konstruktion
Die architektonische und technische Planung liegt in den Händen von Reid Fenwick Asociados sowie dem international renommierten Ingenieurbüro ArupSport, das bereits bei zahlreichen Stadionprojekten weltweit beteiligt war. Der Stadionkörper ist als symmetrisches Schalenbauwerk mit drei horizontal gegliederten Rängen konzipiert: Unter-, Mittel- und Oberrang. Diese Ringstruktur gewährleistet nicht nur eine klare Orientierung, sondern auch optimale Sichtlinien von jedem Platz aus. Die Neigung der Tribünen wurde mithilfe digitaler Simulationsmodelle so ausgelegt, dass eine kompromisslose Sicht auf das Spielfeld gegeben ist – unabhängig von der gewählten Preiskategorie.
Die Stadionstruktur basiert auf einem Skelett aus Stahlverbundträgern und Betonfertigteilen. Diese wurden bereits in den Jahren 2007 bis 2009 montiert. Die statische Ertüchtigung dieser Elemente war ein zentrales Thema bei der Wiederaufnahme des Projekts. Dabei mussten Spannungsverteilungen, Alterung und mögliche Chloridbelastungen durch Umwelteinflüsse geprüft und dokumentiert werden. Vielca Ingenieros übernahm diese Bestandsanalyse und gab grünes Licht – unter Auflagen zur Nachrüstung einzelner Komponenten.
Innovative Dachkonstruktion
Besonders innovativ ist die geplante Dachkonstruktion: Sie besteht aus einer transluzenten, wetterfesten Membran, die über ein Netzwerk aus radialen Seilzugträgern und ringförmigen Druckringen gespannt wird. Diese Bauweise wurde von Schlaich Bergermann Partner entwickelt und bereits bei internationalen Projekten wie dem Olympiastadion Berlin oder dem Estadio Metropolitano in Madrid erfolgreich umgesetzt. Das Dach bietet nicht nur Schutz vor Sonne und Regen, sondern übernimmt auch akustische Funktionen: Durch gezielte Reflektion und Dämpfung entsteht eine gleichmäßige Klangverteilung – ein wichtiger Aspekt bei Großveranstaltungen.
Zusätzlich wird die Dachfläche zur Energiegewinnung genutzt. Geplant ist eine Photovoltaikanlage mit rund 500 kWp Leistung. Dabei kommen semi-transparente Solarmodule zum Einsatz, die das mediterrane Tageslicht streuen und gleichzeitig Strom für den Stadionbetrieb liefern. Die Energie wird direkt in die Infrastruktur eingespeist – unter anderem für die Beleuchtung, Lüftung und Sicherheitstechnik. Eine Integration in ein lokales Smart-Grid ist technisch vorbereitet.
Tragstruktur des Nou Mestalla
Die Tragstruktur des Nou Mestalla basiert auf einer Kombination aus Ortbeton, Spannbeton und vorgefertigten Stahlbetonelementen. Die Rohbauarbeiten an dieser Struktur wurden zwischen 2007 und 2009 ausgeführt.
Dabei kamen sowohl vorgespannte Hohlkörperdecken als auch massive Rahmenkonstruktionen zum Einsatz, deren Beanspruchung primär durch vertikale Lasten aus dem Tribünenbau und horizontale Windkräfte erfolgt. Nach 16 Jahren Witterungseinfluss ohne schützende Fassadenhülle war eine umfassende Prüfung erforderlich.
Zustand nach 16 Jahren Stillstand überprüft
Vielca Ingenieros führte eine detaillierte Zustandsanalyse durch. Diese umfasste Ultraschallmessungen zur Ermittlung des Betonquerschnittszustands, Chlorid- und Karbonatisierungstests zur Beurteilung der Bewehrungskorrosion sowie statische Nachweise gemäß aktuellen spanischen Normen (CTE und EHE-08).
Das Ergebnis fiel differenziert aus: Der Großteil der Tragstruktur sei weiterhin verwendbar, jedoch müssten bestimmte Betonsegmente ertüchtigt werden, etwa durch CFK-Lamellen (Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff) oder Aufbeton mit höherer Festigkeitsklasse.
Dachkonstruktion musste an neue Anforderungen angepasst werden
Besondere Herausforderungen ergeben sich beim Dachtragwerk. Die ursprüngliche Planung sah eine Lebensdauer von 50 Jahren vor, was heutigen Anforderungen nicht mehr genügt. Nach aktuellen EU-Richtlinien (z. B. Eurocode EN 1990 ff.) müssen tragende Elemente bei öffentlichen Großbauten eine Nutzungsdauer von mindestens 100 Jahren erreichen. Daher wird das gesamte Dachsystem neu berechnet. Dazu gehören Lastannahmen für Wind, Schnee, seismische Einwirkungen sowie Temperaturwechsel im mediterranen Klima.
Auch die veranschlagten Baukosten mussten infolge der technischen Nachbesserungen angepasst werden. Ein externer Prüfbericht geht von Mehrkosten in Höhe von etwa 50 Millionen Euro gegenüber der Planung aus dem Jahr 2020 aus. Diese entstehen unter anderem durch statische Nachrüstungen, neue Gründungsdetails für das Dach und aufwändigere Korrosionsschutzmaßnahmen.
Mangelnde Sorgfalt bei der Prüfung?
Zivilgesellschaftliche Kritik kommt von der Organisation «Últimes Vesprades a Mestalla» (úvam), die der Stadtverwaltung mangelnde Sorgfalt bei der Prüfung des Ausführungsprojekts vorwirft. In einer Beschwerde werden mehrere Verstöße aufgeführt:
- Das vorgelegte Projekt sei lediglich ein vorläufiger Entwurf und erfülle nicht die gesetzlichen Anforderungen an ein genehmigungsfähiges Ausführungsprojekt.
- Es würden veraltete technische Normen verwendet – insbesondere bei der Dimensionierung des Dachs und der Fundamente.
- Die technische Dokumentation enthalte keine belastbaren Angaben zur geplanten Photovoltaikanlage.
- Zudem fehlten Haltbarkeitsstudien, die nachweisen, in welchem Zustand sich die Beton- und Stahlbauteile nach 15 Jahren Exposition tatsächlich befinden.
Diese Kritikpunkte werfen einen Schatten auf die geplante Baufreigabe. Rechtlich könnte dies zu Verzögerungen führen, falls ein Gericht der Klage stattgibt. Für den Verein bedeutet das: Parallel zur technischen Planung muss auch die rechtliche Absicherung der Bestandsnutzung mit großer Sorgfalt erfolgen.
Ein Stadion für alle Zwecke
Das Nou Mestalla soll mehr sein als nur ein Fußballstadion. Geplant ist ein Nutzungskonzept für 365 Tage im Jahr:
- Über 6.500 Hospitality-Plätze in neun Kategorien
- Fan-Zone auf 6.000 m²
- Täglich geöffnete Restaurants mit Blick aufs Spielfeld
- Bereiche für Events, Konferenzen und Freizeit
Valencia CF arbeitet hier mit dem Unternehmen Legends zusammen, das auch NFL- und Premier-League-Clubs betreut. Ziel ist es, die Erlöse aus Gastronomie und Events zu steigern.
Fortschritt im Zeitplan?
FCC Construcción erhielt im Januar 2025 den offiziellen Auftrag zur Fertigstellung des Stadions. Das Unternehmen ist für die Umsetzung der verbleibenden Bauphasen einschließlich Dachkonstruktion, Innenausbau und technischer Ausstattung zuständig. Die geplante Bauzeit beträgt 24 Monate. Der Vertrag mit FCC sieht Kosten von 194,6 Millionen Euro vor, was gegenüber der ursprünglichen Planung eine Erhöhung um rund 17 % bedeutet.
Bereits im Juni 2025 begann FCC mit dem Innenausbau – zwei Monate früher als ursprünglich vorgesehen. Dazu gehören technische Systeme wie Lüftung, Sanitär, Medientechnik und Elektroinstallationen. Parallel erfolgt die Ausführung der Dachkonstruktion auf Basis zweier Varianten, wobei sich der Verein für die leichtere Ausführung mit Seilzugträgern entschieden hat. Auch die Planung und Vorinstallation der Photovoltaikanlage wurden vorgezogen.
Laut externem Prüfbericht liegt der Bau derzeit leicht vor dem Zeitplan. Entscheidend bleibt jedoch, ob Genehmigungen, Materiallieferungen und Witterung keine weiteren Verzögerungen verursachen. Die offizielle Übergabe ist für spätestens Juli 2027 angesetzt – mit einer möglichen Teilnutzung ab Frühjahr desselben Jahres.
WM 2030: Chance vertan?
Trotz der geplanten Fertigstellung bis 2027 und einer flexiblen Erweiterungsoption auf 70.000 Plätze wurde das Nou Mestalla im Juli 2024 von der offiziellen Liste möglicher WM-Stadien in Spanien gestrichen. Grund dafür war vor allem der lange Stillstand, fehlende Baugenehmigungen und Unsicherheiten hinsichtlich der Finanzierungsstruktur. Auch der zu diesem Zeitpunkt unklare Realisierungsstand spielte eine Rolle bei der Entscheidung des Bewerberkonsortiums.
Allerdings ist die Tür nicht endgültig geschlossen. José Manuel Rodríguez Uribes, Präsident des spanischen Sportrats CSD, betonte wiederholt, dass die Regierung Valencia „ernsthaft und fest“ unterstütze. In einem Interview erklärte er: „Ich glaube, wenn das Stadion wie geplant fertig wird, wird Valencia in ein paar Jahren wahrscheinlich das modernste Stadion Spaniens haben.“ Damit sei eine Rückkehr in die WM-Planung durchaus denkbar – vorausgesetzt, der Bau bleibt im Zeitrahmen und erfüllt alle technischen und administrativen Anforderungen.
Im Hintergrund laufen diplomatische Bemühungen, um das Stadion doch noch in die Turnierarchitektur zu integrieren. Entscheidend wird sein, ob Valencia CF und die Stadtverwaltung offene Fragen – etwa zu Sicherheitskonzept, Erschließung und barrierefreier Nutzung – zeitnah klären. Auch die laufende juristische Auseinandersetzung mit der Bürgerinitiative úvaM könnte Einfluss auf die Entscheidung haben.