Anfield ist weit mehr als ein Fußballstadion – es ist ein Ort mit Geschichte, Symbolkraft und Technik im Wandel. Seit seiner Erbauung im Jahr 1884 hat sich das Stadion des FC Liverpool mehrfach verändert. Heute fasst es über 61.000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Der Umbau erfolgte in mehreren Phasen – stets im laufenden Spielbetrieb. Die Architektur erzählt von Tradition und Wandel. Doch nicht alle in der Nachbarschaft profitieren gleichermaßen vom Glanz der Arena.

Das erwartet Sie in diesem Beitrag
- Ein Stadion mit Geschichte
- Von Stehplätzen zu Hightech-Sitzen
- Licht, Technik, Architektur
- Das „This is Anfield“-Schild
- Technik unter Zeitdruck: Umbau bei laufendem Spielbetrieb
- Sanierung mit Nebenwirkungen
- Der Platz in der Premier League – nicht nur sportlich
- Architektur mit Wiedererkennungswert
- Nachhaltigkeit und Technik: Wie Anfield für die Zukunft rüstet
- Digitale Stadiontechnik: Sicherheit und Komfort im Blick
- Zeitleiste: 140 Jahre Anfield – Vom Hügel zum Hightech-Stadion
- Ein Ort, der Geschichte atmet
Ein Stadion mit Geschichte
Anfield wurde 1884 errichtet. Damals war es die Heimat des FC Everton. Erst acht Jahre später – 1892 – zog der neugegründete FC Liverpool hier ein. Der Auslöser war ein Streit um Eigentumsrechte und steigende Pachtkosten. John Houlding, ein lokaler Unternehmer, gründete kurzerhand einen eigenen Club, um das leerstehende Stadion weiter nutzen zu können.
Das erste Spiel trugen die „Reds“ gegen Rotherham Town aus – ein 7:1-Sieg. Von Anfang an war Anfield mehr als nur ein Spielfeld: Es war Schauplatz für sportliche Aufstiege und bauliche Veränderungen.
Von Stehplätzen zu Hightech-Sitzen
Die früheste große Umgestaltung datiert auf das Jahr 1894. Damals wurden erste Tribünen mit 3.000 Sitzplätzen installiert. Doch der eigentliche Wandel kam 1906. Mit dem Bau der sogenannten „Spion Kop“-Tribüne wurde ein architektonisches wie kulturelles Fundament geschaffen. Der Name erinnert an einen Hügel in Südafrika, auf dem britische Soldaten während des Zweiten Burenkriegs kämpften.
Bis in die 1990er-Jahre war der Kop ein berühmter Stehplatzbereich, auf dem bis zu 30.000 Menschen Stimmung machten. Nach dem Taylor-Bericht zur Hillsborough-Katastrophe 1990 wurden daraus Sitzplätze. Heute fasst der Kop 12.390 Zuschauerinnen und Zuschauer.
Licht, Technik, Architektur
1957 wurde die erste Flutlichtanlage installiert. Zehn Jahre später begann der Umbau der Kemlyn Road Stand – der heutigen Sir Kenny Dalglish Stand. Weitere Veränderungen folgten zwischen 1973 und 1992. Viele Umbauten fanden statt, ohne den Charakter des Stadions zu verändern. Die wohl größte Veränderung: der Umbau der Haupttribüne zwischen 2014 und 2016. Dabei blieb der Spielbetrieb durch geschickte Zwischenlösungen erhalten.
Das „This is Anfield“-Schild
„This Is Anfield“ steht über dem Spielertunnel – ein einfaches Schild, doch mit tiefer Symbolik. „Es soll den Gegner daran erinnern, gegen wen sie spielen. Und die eigenen Spieler daran erinnern, für wen sie spielen“, so Trainerlegende Bill Shankly. Die aktuelle Version des Schildes ist die dritte. Es hängt heute über dem modernisierten Tunnel, der seit 2016 auf Spielfeldhöhe verläuft.

Technik unter Zeitdruck: Umbau bei laufendem Spielbetrieb
Zwischen 2021 und 2024 fand die zweite Ausbaustufe statt. Der „Anfield Road Stand“ erhielt einen neuen Oberrang. Die Herausforderung: Während des Umbaus mussten Spiele und Stadionführungen weiter möglich bleiben. Eine Lösung waren sogenannte Y-Träger, die eine Sicherheitszone zwischen Baustelle und Stadionbetrieb schufen.
Insgesamt kamen rund 3.700 Tonnen Stahl zum Einsatz. Der zentrale Dachträger mit 300 Tonnen Gewicht wurde im Sommer 2022 mit zwei Schwerlastkränen eingehoben. Die neue Kapazität: 61.276 Plätze. Die Konstruktion wurde mit 25.000 Schrauben verbunden – ein logistisches und ingenieurtechnisches Großprojekt.

Sanierung mit Nebenwirkungen
Die Aufwertung des Stadions brachte auch Konflikte. Rund um die Walton Breck Road mussten alte viktorianische Reihenhäuser weichen. Die Stadt hatte 2014 versprochen, das Quartier zu modernisieren. Bis heute ist nicht alles umgesetzt worden. Anwohnende kritisieren, dass es an Nahversorgung und sozialen Treffpunkten fehle.
Der Umbau der Anfield Road zu einer Fußgängerzone ist ein weiteres Streitthema. Viele wünschen sich mehr Mitsprache. Der Stadtrat betont zwar die Rolle des Vereins als soziale Institution, doch der Alltag im Schatten des Stadions sieht oft anders aus.

Der Platz in der Premier League – nicht nur sportlich
Mit seinen über 61.000 Plätzen ist Anfield das viertgrößte Stadion der Premier League. Nur Old Trafford (Manchester United), das Tottenham Hotspur Stadium und das London Stadium (West Ham) sind größer. Doch Größe ist nicht alles – das zeigen die Zahlen: Zwischen 2017 und 2021 blieb der FC Liverpool zu Hause ungeschlagen. Eine Serie von 68 Spielen. Bereits zwischen 1978 und 1981 waren es sogar 85 Spiele ohne Heimniederlage.
Architektur mit Wiedererkennungswert
Die Sir Kenny Dalglish Stand ist zweigeschossig. Sie wurde in den 1990ern erweitert und trägt seit 2017 den Namen der Vereinslegende. Auch der Centenary Stand, heute Teil derselben Tribüne, gehört zur technischen Entwicklungsgeschichte von Anfield.
Die Haupttribüne mit drei Ebenen beherbergt Umkleiden, Presseräume, Logen und das berühmte Schild. Ihr Bau war ein Meilenstein in der Stadionarchitektur: Während der Bauphase blieb die alte Struktur weitgehend in Betrieb – eine Herausforderung für Planung und Statik.
Auch Bob Paisleys Idee, die Sitze am Anfield Road End bunt zu gestalten, hat Bestand. Die roten Trikots der Reservespieler waren vor einfarbig roten Sitzreihen kaum zu sehen – daher wählte man unterschiedliche Farben für bessere Sichtbarkeit.
Nachhaltigkeit und Technik: Wie Anfield für die Zukunft rüstet
Mit dem umfassenden Ausbau des Stadions hat sich der FC Liverpool nicht nur architektonisch, sondern auch ökologisch weiterentwickelt. Ziel war es, das Stadion nicht nur größer, sondern auch ressourcenschonender und effizienter zu machen.
Energie- und Ressourcenkonzept
Die neue Haupttribüne wurde nach Standards errichtet, die auf Energieeffizienz und geringeren CO₂-Ausstoß abzielen. Dazu zählen unter anderem verbesserte Wärmedämmung, moderne Heizungs- und Belüftungssysteme sowie die Integration von LED-Flutlichtanlagen. Diese verbrauchen deutlich weniger Strom als konventionelle Beleuchtungssysteme. Auch die Innenbeleuchtung in VIP-Lounges, Pressebereichen und Umkleiden wurde auf stromsparende Technik umgestellt.
Darüber hinaus arbeitet der Verein daran, den Wasserverbrauch zu reduzieren – beispielsweise durch wassersparende Armaturen und optimierte Reinigungsverfahren auf dem Gelände.
Abfallvermeidung und Recycling
Im Rahmen der Stadionmodernisierung wurde ein Mülltrennungssystem eingeführt, das nicht nur während der Spieltage zum Einsatz kommt, sondern auch im laufenden Betrieb der Gastronomie, Büros und Technikräume. Verpackungen in den Kiosken wurden durch recycelbare oder kompostierbare Materialien ersetzt. Fans werden durch Hinweisschilder zur korrekten Mülltrennung aufgefordert.
Auch bei den Baumaterialien der neuen Tribünen achtete das verantwortliche Bauunternehmen auf die Herkunft. Wo möglich, wurden recycelte Baustoffe verwendet oder Materialien aus der Region beschafft, um Transportwege kurz zu halten.
Mobilität und Verkehr
Der Club fördert nachhaltige An- und Abreisewege für Fans und Mitarbeitende. Dazu gehört unter anderem ein Shuttle-Service an Spieltagen, der mit emissionsarmen Bussen betrieben wird. Die Modernisierung der Anfield Road wird ebenfalls unter dem Aspekt der Verkehrsberuhigung und Fußgängerfreundlichkeit diskutiert.

Digitale Stadiontechnik: Sicherheit und Komfort im Blick
Nicht nur die Bauweise hat sich verändert – auch in technischer Hinsicht wurde Anfield auf den neuesten Stand gebracht. Die Digitalisierung spielt bei modernen Sportstätten eine zentrale Rolle, insbesondere bei Themen wie Sicherheit, Überwachung, Fanservice und Medienintegration.
Sicherheitstechnik
Das Stadion verfügt über ein modernes Überwachungssystem mit hochauflösenden Kameras, die lückenlose Kontrolle über die Zuschauerbereiche ermöglichen. Die Kameras sind in ein digitales Leitsystem eingebunden, das in Echtzeit Daten an die Sicherheitszentrale übermittelt. Gesichtserkennung kommt in Anfield bislang nicht zum Einsatz, wird aber als Zukunftstechnologie diskutiert.
Bei der Zugangskontrolle setzt der Verein auf digitale Tickets und personalisierte QR-Codes. Diese werden per Smartphone gescannt – eine Maßnahme, die nicht nur Fälschungen erschwert, sondern auch Wartezeiten reduziert.
Konnektivität und Medienintegration
Während der Umbauten wurden moderne Glasfaserleitungen und ein flächendeckendes WLAN-Netzwerk installiert. Diese Infrastruktur ermöglicht es den Zuschauerinnen und Zuschauern, während des Spiels digitale Inhalte abzurufen – etwa Wiederholungen, Statistiken oder Hintergrundinfos per App.
Auch für Medienschaffende hat sich die Infrastruktur deutlich verbessert. Pressebereiche sind mit High-Speed-Internet, digitalen Schaltschränken und modern ausgestatteten Arbeitsplätzen ausgerüstet. Übertragungstechnik für TV- und Radioanstalten wurde ebenfalls auf den neuesten Stand gebracht.
Fan Experience
Mit der offiziellen LFC-App können Fans heute Sitzplätze buchen, Fanartikel shoppen oder bargeldlos im Stadion bezahlen. In den VIP-Bereichen gibt es digitale Bestellsysteme für Speisen und Getränke. Künftig könnten auch Augmented-Reality-Elemente zum Einsatz kommen – etwa interaktive Spielstatistiken auf mobilen Endgeräten während der Live-Begegnung.
Zeitleiste: 140 Jahre Anfield – Vom Hügel zum Hightech-Stadion
Jahr | Ereignis |
---|---|
1884 | Bau von Anfield – zunächst Heimstätte des FC Everton |
1892 | Gründung des FC Liverpool durch John Houlding |
1894 | Erste große Tribüne mit 3.000 Plätzen errichtet |
1906 | Bau der Spion-Kop-Tribüne |
1928 | Überdachung des Kop; Fassungsvermögen: bis zu 30.000 Stehplätze |
1957 | Erste Flutlichtanlage installiert |
1963–1973 | Umbau von Kemlyn Road Stand (heute: Sir Kenny Dalglish Stand) und Main Stand |
1973 | Neubau der Haupttribüne, alte Flutlichtmasten abgerissen |
1982 | Shankly Gates errichtet, elf Monate nach Shanklys Tod |
1994 | Der Kop wird zur Sitzplatztribüne – Folge des Taylor Reports |
1997 | Anfield Road Stand erhält einen Oberrang |
2014–2016 | Umbau der Haupttribüne: +8.500 Sitzplätze, neue Tunnel- und Medienbereiche |
2021–2024 | Umbau des Anfield Road End: Stadionkapazität wächst auf 61.276 Plätze |
2024 | Abschluss der aktuellen Sanierungsphase – Digitalisierung und Nachhaltigkeit integriert |
Ein Ort, der Geschichte atmet
Seit 1884 wurden auf dem Gelände 13 große Um- und Ausbauten realisiert. Die Architektur von Anfield ist keine Kulisse, sondern erzählt von Wandel und Anpassung. Technisch, gesellschaftlich, sportlich. Das Stadion war Austragungsort für Rekordspiele, Trainerwechsel, aber auch soziale Diskussionen.
Ein Beispiel: Der große Fahnenmast am Flagpole Corner stammt vom 1858 gebauten Dampfschiff „Great Eastern“. Der Mast wurde 1906 gekauft und erinnert an Liverpools maritime Geschichte. Die „Shankly Gates“ und die gleichnamige Statue setzen dem Trainerdenkmal Bill Shankly ein sichtbares Zeichen.