In Marokko entsteht das größte Fußballstadion der Welt

Von Dominik Hochwarth

Das Grand Stade Hassan II in der Nähe von Casablanca soll nach seiner Fertigstellung im Jahr 2028 das größte Fußballstadion der Welt sein. Mit einer Kapazität von 115.000 Zuschauerinnen und Zuschauern und einer außergewöhnlichen Architektur wird das Stadion Austragungsort für internationale Großereignisse wie die Fußball-WM 2030 sein. Der Bau kombiniert moderne Ingenieurskunst mit kulturellen Traditionen Marokkos – darunter das Zeltdach als Symbol für das Moussem-Fest.

Grand Stade Hassan II
Das Grand Stade Hassan II soll einmal das größte Fußballstadion der Welt werden. Foto: Populous

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Neue Maßstäbe im Stadionbau

Marokko errichtet in der Nähe von Casablanca ein Stadionprojekt, das nicht nur durch seine Größe, sondern auch durch seine Bauweise und symbolische Gestaltung hervorsticht. Das Grand Stade Hassan II wird nach seiner geplanten Fertigstellung im Jahr 2028 mit 115.000 Sitzplätzen das größte reine Fußballstadion der Welt sein. Zum Vergleich: Das aktuelle größte Stadion der Welt, das Rungrado 1st of May Stadium in Pjöngjang, ist zwar größer, wird jedoch auch für andere Veranstaltungen genutzt.

Verantwortlich für den Entwurf sind die Pariser Architektinnen und Architekten von Oualalou + Choi gemeinsam mit dem auf Sportstätten spezialisierten Büro Populous, das weltweit bereits über 1.300 Stadionprojekte betreut hat.

Ein Stadion als kulturelles Symbol

Der Entwurf folgt keinem beliebigen architektonischen Leitbild, sondern basiert auf tief verankerten kulturellen Bezügen. Die äußere Form des Stadions ist von der traditionellen marokkanischen Zusammenkunft namens „Moussem“ inspiriert. Dieses Volksfest steht für Begegnung, Austausch und Gastfreundschaft – Werte, die sich auch in der Nutzung des Stadions widerspiegeln sollen.

Das Herzstück der Anlage bildet ein weit gespanntes Zeltdach aus einem besonderen Aluminiumgitter. Es schützt die Tribünen und schafft gleichzeitig eine architektonische Verbindung zur Zeltform der Moussem-Feste. Dabei wirkt das Dach nicht wie ein Aufsatz, sondern als Teil eines organischen Gesamtkonzepts.

Grand Stade Hassan II
115.000 Fans sollen im Stadion einmal ihre Mannschaft anfeuern können. Foto: Populous

Die Architektur: Geometrie, Gärten und gigantische Ränge

Technisch gesehen folgt das Stadion einer komplexen Raumkomposition. Die Dachkonstruktion wird von 32 ringförmig angeordneten Treppentürmen getragen, die an monumentale Torbögen erinnern. Auf diesen Plattformen, in 28 Metern Höhe, entstehen begrünte Gärten. Sie bieten nicht nur ein visuelles Highlight, sondern auch natürliche Belüftung und Beschattung.

Zusätzlich zu diesen Höhenanlagen sind am Boden botanische Gärten unterhalb der Dachauskragungen geplant. Diese grüne Zone dient als Übergang zwischen Innen- und Außenraum und soll das Mikroklima im Stadion verbessern.

Im Innenraum der Arena entstehen drei steil angeordnete Ränge an beiden Enden des Spielfelds, die je 29.500 Fans Platz bieten. Die Haupttribünen an den Längsseiten integrieren fünf Ebenen mit Hospitality-Sitzplätzen, darunter VIP- und VVIP-Logen für bis zu 12.000 Gäste – ergänzt um eine repräsentative Königsloge.

Standortwahl: Nähe zu Casablanca, gute Infrastruktur

Das Stadion entsteht in El Mansouria, einem Stadtteil in der Provinz Benslimane, etwa 38 Kilometer nördlich von Casablanca. Die Lage nahe der wirtschaftlichen Metropole des Landes sowie die gute Erreichbarkeit durch bestehende Verkehrsachsen waren ausschlaggebend für die Wahl des Bauplatzes. Das gesamte Areal umfasst rund 100 Hektar und wurde bereits vorbereitet.

Grand Stade Hassan II
Das Zeltdach ist von marokkanischen Traditionen inspiriert. Foto: Populous

Lang geplantes Prestigeprojekt

Die Idee eines neuen Großstadions in Marokko ist nicht neu. Bereits für die Bewerbung um die FIFA-Weltmeisterschaft 2010 war ein solcher Bau vorgesehen, wurde jedoch nach der Niederlage gegen Südafrika auf Eis gelegt. Auch für die Bewerbung um die WM 2026 war das Stadion wieder im Gespräch – ebenfalls ohne Erfolg.

Den entscheidenden Impuls gab schließlich die erfolgreiche Bewerbung Marokkos um den Afrika-Cup 2025 und die Fußball-Weltmeisterschaft 2030, die gemeinsam mit Spanien und Portugal ausgetragen wird. Im Oktober 2023 erfolgte die offizielle Freigabe der Baufinanzierung. Der Königliche Fußballverband und die marokkanische Caisse de Dépôt et de Gestion stellten gemeinsam rund 5 Milliarden Dirham (etwa 500 Millionen US-Dollar) für den Stadionbau bereit.

Ausschreibung und Projektvergabe

Die Auswahl des Entwurfs erfolgte über einen internationalen Architekturwettbewerb, den die marokkanische Agentur für öffentliche Einrichtungen (ANEP) ausrichtete. Neben Populous und Oualalou + Choi reichten auch renommierte Büros wie Herzog & De Meuron, Zaha Hadid Architects und GMP ihre Vorschläge ein. Den Zuschlag erhielt letztlich das französisch-marokkanische Team – auch wegen seiner Verbindung von kulturellem Anspruch und bautechnischer Machbarkeit.

Am 14. März 2024 wurde das Konsortium offiziell mit der Planung und Umsetzung beauftragt. Unterstützt wird es von internationalen Ingenieurbüros wie Maffeis Engineering, Rider Levett Bucknall und ME Engineers.

Grand Stade Hassan II
Vielleicht findet im Stadion im Jahr 2023 das WM-Finale statt. Foto: Populous

FIFA-konform für WM-Finale 2030

Das Grand Stade Hassan II erfüllt alle Voraussetzungen für internationale Großereignisse. Es entspricht den aktuellen FIFA-Regularien und ist damit als Austragungsort für Vorrunden, K.-o.-Spiele und sogar das Finale der WM 2030 geeignet. Neben der Nutzung für internationale Turniere wird das Stadion künftig auch als Heimspielstätte der beiden größten Clubs von Casablanca, Raja CA und Wydad AC, dienen. Damit löst es das in die Jahre gekommene Stade Mohammed V ab.

Marokko investiert nicht nur in ein einzelnes Mega-Projekt. Zusätzlich zum Neubau in Casablanca werden sechs weitere Stadien modernisiert, um den Anforderungen des Weltfußballverbands gerecht zu werden. Insgesamt beläuft sich das Investitionsvolumen in die Fußballinfrastruktur auf über 9,5 Milliarden Dirham im Zeitraum 2023 bis 2025. Eine zweite Modernisierungsphase ist für 2025 bis 2028 geplant.

Zwischen Symbolik und Stadiontechnik

Das Grand Stade Hassan II ist mehr als ein Sportbau. Es vereint moderne Bauweise, Umweltintegration und kulturelle Identität. Die Kombination aus Aluminiumgitter, botanischen Gärten und steil aufragenden Rängen stellt für Architektinnen und Architekten ebenso wie für Bauingenieurinnen und Bauingenieure eine technische Herausforderung dar.

„Es ist ein großzügiger Raum, offen für die Welt und respektvoll gegenüber der Natur, die er schützt“, sagt Architekt Tarik Oualalou. Auch François Clément von Populous betont: „Er wird ein immenser Gewinn für das Land sein und Marokko auf die höchste globale Plattform für die Entwicklung von Sportinfrastrukturen heben.“

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