Beton ist viel mehr als ein Konstruktionswerkstoff. Längst nutzen Architekten, Ingenieure und Gestalter das Potenzial des Materials auch für die Oberflächengestaltung. Sichtbeton, Fotobeton oder sogar transluzenter Lichtbeton zeigen: Der Werkstoff bietet unzählige Möglichkeiten, um Bauwerken ein unverwechselbares Gesicht zu verleihen – ganz ohne Putz, Farbe oder Verblendung.

Das erwartet Sie in diesem Beitrag
- Sichtbeton: Die rohe Form zeigt Charakter
- Strukturbeton: Muster und Texturen direkt aus der Schalung
- Fotobeton: Bilder aus Licht und Zement
- Lichtbeton: Wenn der Baustoff leuchtet
- 3D-Betondruck: Freie Formen aus der Düse
- Beton zwischen Material und Medium
Sichtbeton: Die rohe Form zeigt Charakter
Sichtbeton ist Beton, der nach dem Ausschalen unverkleidet sichtbar bleibt. Er prägt seit Jahrzehnten Bauwerke weltweit – oft als bewusst eingesetzter Kontrast zu traditionellen Materialien. Besonders bekannt ist der Sichtbeton aus der Architektur des Brutalismus, dessen Name sich vom französischen „béton brut“ – roher Beton – ableitet.

Dabei verlangt Sichtbeton große Sorgfalt: Die Betonmischung, die Schalung und der Betonierprozess müssen präzise aufeinander abgestimmt sein. Kleine Fehler – etwa Lunker (Luftblasen), Schalungsabdrücke oder Farbunterschiede – bleiben sichtbar und wirken oft ungewollt. Gleichzeitig bietet diese Offenheit Chancen: „Der feine Zementleim ist in der Lage, die Struktur der Betonschalung detailgetreu nachzubilden“, heißt es etwa. So lässt sich mit Holzschalungen die Maserung des Holzes abformen – das Ergebnis sind Fassaden mit der Anmutung einer grauen Holzverkleidung.
Strukturbeton: Muster und Texturen direkt aus der Schalung
Wer Betonoberflächen gezielt strukturieren will, hat vielfältige Möglichkeiten. Besonders beliebt ist der Einsatz von Strukturmatrizen: Diese formen das spätere Muster in der Schalung vor. Auch CNC-gefräste Schalungen erlauben präzise Reproduktionen – etwa von Linien, Wellen oder sogar von fotografischen Motiven.

Dabei handelt es sich um eine sogenannte abtragende Oberflächenbearbeitung, bei der nach dem Betonieren keine weiteren Beschichtungen oder Farben notwendig sind. Die Wirkung entsteht allein durch Licht und Schatten an der reliefartigen Oberfläche. Selbst stark strukturierte Oberflächen sind möglich, wenn die Schalung entsprechend behandelt oder aus Materialien wie Polyurethan oder Silikon gefertigt ist.
Fotobeton: Bilder aus Licht und Zement
Eine besondere Variante des Strukturbetons ist der Fotobeton – auch Logobeton genannt. Hier entsteht ein Bild auf der Oberfläche eines Betonbauteils – ganz ohne Farbe, allein durch unterschiedliche Helligkeitswerte.

Das Verfahren nutzt sogenannte Abbindeverzögerer, die im Siebdruckverfahren auf eine Kunststofffolie aufgebracht werden. Diese Folie wird in die Schalung gelegt. Beim Betonieren härtet der Beton unter dem Einfluss des Verzögerers unterschiedlich schnell aus. Nach dem Ausschalen werden die weicheren Bereiche mit einem Hochdruckreiniger abgewaschen – das Bild tritt zum Vorschein. Je nach Lichteinfall verändert es seine Wirkung. Besonders bei großflächigen, fensterarmen Gebäudeteilen lässt sich Fotobeton sinnvoll einsetzen, da ornamentale Muster und dezente Strukturen die Flächen visuell auflockern.
Alternativ kann das Bildmotiv auch in eine Matrize gefräst werden – eine Technik, die an eine Fotogravur erinnert. So entsteht eine feine Struktur, die das Bild dauerhaft sichtbar macht.
Lichtbeton: Wenn der Baustoff leuchtet
Noch einen Schritt weiter geht der transluzente Beton, auch Lichtbeton genannt. In diese Betonelemente werden feine Lichtleitfasern eingebettet, die das Licht von der Rückseite zur Vorderseite leiten. So entstehen leuchtende Punkte oder Flächen im Bauteil – eine Wirkung, die Beton völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet.

Die optische Erscheinung hängt stark von der Art und Anordnung der Fasern ab. Große Lichtpunkte erinnern an einen Sternenhimmel, dichte Faserverläufe erzeugen homogene Lichtfelder. Mit LED lassen sich sogar Farbwechsel oder animierte Lichtmuster integrieren. Je nach Tageszeit und Lichtsituation verändert sich der Eindruck. Ohne Licht wirkt die Oberfläche wie herkömmlicher Betonwerkstein.
Lichtbeton eignet sich besonders für Fassaden, Trennwände oder Möbel im Innenraum. Voraussetzung ist jedoch eine genaue Planung der Lichtführung und ein kontrollierter Herstellungsprozess.
3D-Betondruck: Freie Formen aus der Düse
Die bisher genannten Verfahren bewegen sich weitgehend in der Ebene. Mit dem 3D-Betondruck werden jedoch echte räumliche Strukturen möglich. Hier trägt ein Roboter Beton Schicht für Schicht auf und formt so geschwungene, gewölbte oder amorphe Bauteile – ganz ohne klassische Schalung.

Der Vorteil: Formen, die im traditionellen Betonbau nur schwer herzustellen wären, lassen sich direkt drucken. Die verwendeten Betone müssen dafür besonders fließfähig und schnell erhärtend sein. Statt Stahl kommen häufig Carbon- oder Glasfasern zum Einsatz, da sich diese leichter in die Druckprozesse integrieren lassen.
Aktuell befindet sich die Technik noch in der Entwicklung. Sie ist noch nicht für alle Anwendungen normgerecht umsetzbar. Doch dort, wo es auf individuelle, organische Formen ankommt – etwa bei Fassadenelementen – eröffnet der 3D-Druck völlig neue Perspektiven.
Gestaltungstechniken mit Beton im Überblick
- Sichtbeton: Unverkleideter Beton mit bewusst gestalteter Oberfläche. Schalung und Mischung beeinflussen das Ergebnis direkt.
- Strukturbeton: Schalungsmatrizen oder CNC-gefräste Formen erzeugen präzise Muster und Texturen auf der Oberfläche.
- Fotobeton: Bildmotive entstehen durch Hell-Dunkel-Kontraste mithilfe von Abbindeverzögerern – ganz ohne Farbe.
- Lichtbeton: Eingelassene Lichtfasern lassen Betonflächen leuchten oder durchscheinend wirken – abhängig von Lichtquelle und Faseranordnung.
- 3D-Betondruck: Additives Fertigungsverfahren für freie Formen und dreidimensionale Bauteile – ohne klassische Schalung.
Hinweis: Je nach Technik variieren Aufwand, Materialanforderungen und gestalterische Wirkung deutlich.
Beton zwischen Material und Medium
Der Baustoff Beton hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Was früher als rein technischer Werkstoff galt, ist heute auch ein Gestaltungsmittel, das Räume definiert, Bilder transportiert und Licht lenkt. Sichtbeton, Fotobeton, Lichtbeton und 3D-gedruckte Formen zeigen, wie vielfältig der Werkstoff eingesetzt werden kann – vorausgesetzt, Planung, Materialwahl und Verarbeitung greifen präzise ineinander.
Dabei entstehen keine Dekorationen im klassischen Sinn. Vielmehr entwickelt Beton seine ästhetische Wirkung direkt aus seiner Materialität heraus. Farben, Formen und Lichtwirkungen sind nicht aufgesetzt, sondern in den Stoff selbst eingeschrieben – dauerhaft, widerstandsfähig und authentisch.