Feuerball, Rauch, ein gleißend blauer Himmel über Manhattan: Am Morgen des 11. September 2001 krachen zwei entführte Boeing 767 in die Zwillingstürme des World Trade Centers. Millionen Menschen sehen live, wie die Gebäude brennen – und schließlich einstürzen. Warum gaben die 110 Stockwerke nach? Wieso fiel auch WTC 7, obwohl dort kein Flugzeug einschlug? Und was hat die Technik seither gelernt?

Das erwartet Sie in diesem Beitrag
- Dienstag, 11. September 2001, New York
- Eine revolutionäre Bauweise – mit Schwächen
- Einschlag und Feuer – die tödliche Kombination
- Durchhängende Böden, nach innen gezogene Fassaden
- Warum der Südturm früher fiel
- Der Ablauf des Kollapses
- „Hat das Kerosin den Stahl geschmolzen?“ – eine häufige Frage
- WTC 7: Das Rätsel des dritten Einsturzes
- Warum Rettung fast unmöglich war
- Streitpunkte – und was die Untersuchungen dazu sagen
- Was die Technik daraus lernte
- Ein Bild in einfachen Worten
- Kurz gesagt
- Quellen (Auswahl)
Dienstag, 11. September 2001, New York
Um 8:46 Uhr Ortszeit (EDT) schlägt eine entführte Boeing 767 in den Nordturm des World Trade Centers ein, um 9:03 Uhr eine weitere Maschine in den Südturm. Um 9:59 Uhr kollabiert der Südturm nach nur 56 Minuten, um 10:28 Uhr folgt der Nordturm nach 102 Minuten. Fast 3.000 Menschen sterben an diesem Tag bei den Anschlägen – in New York, im Pentagon und in Pennsylvania.
Es war die wohl bekannteste Gebäudekatastrophe der jüngeren Geschichte. Warum gaben die 110-stöckigen Türme nach? Und weshalb stürzte Stunden später noch WTC 7 ein, obwohl dort kein Flugzeug einschlug? Ingenieur*innen, Behörden und Forschende haben das minutiös untersucht. Heute lässt sich das Zusammenspiel von Aufprall, Bränden und Konstruktion nachvollziehen.

Eine revolutionäre Bauweise – mit Schwächen
Die Türme setzten auf eine neuartige „gerahmte Röhren“-Konstruktion. Dicht gestellte Außenstützen trugen zusammen mit einem rechteckigen Kern die Last. Dazwischen lagen stützenfreie Büroflächen, verbunden durch leichte Stahlträger und dünne Betondecken. Das sparte Material und bot viel Nutzfläche.
Doch das System war empfindlich. Der Brandschutz bestand aus aufgespritztem Material, das sich bei Erschütterungen lösen konnte. Auch die Verbindungspunkte zwischen Böden und Fassade waren sensibel. Zwar hatten die Ingenieure damals sogar den Einschlag einer Boeing 707 einkalkuliert – aber nicht die Wirkung von tausenden Litern Kerosin, die über mehrere Stockwerke hinweg brannten.
Einschlag und Feuer – die tödliche Kombination
Die Flugzeuge rissen beim Aufprall Stützen, Leitungen, Aufzüge und Treppenhäuser auf. Ein Teil des Treibstoffs verpuffte in riesigen Feuerbällen. Der Rest verteilte sich und setzte Möbel und Büroausstattung in Brand.
Das Kerosin selbst brannte rasch ab, doch es entzündete Brände, die stundenlang loderten. Temperaturen von 500 bis 600 Grad reichen zwar nicht, um Stahl zu schmelzen – aber sie schwächen ihn so stark, dass er sich verformt und Tragfähigkeit verliert. Genau das geschah. Der MIT-Materialforscher Thomas Eagar sagte früh: „Das Feuer konnte den Stahl nicht schmelzen, aber es schwächte ihn so sehr, dass er versagte.“

Durchhängende Böden, nach innen gezogene Fassaden
Laut NIST setzte eine Kettenreaktion ein: Die erhitzten Bodenfachwerke hingen durch und zogen die Außenwände nach innen. Ganze Fassadenfelder bogen sich ein, bis Spalten der Stützen einknickten – besonders auf den stärker erhitzten Seiten. War diese Instabilität erreicht, setzte sich der obere Gebäudeteil in Bewegung. Ab diesem Moment war der progressive Gesamteinsturz nicht mehr aufzuhalten.
Die Idee des „inward bowing“, des Nach-innen-Drückens, gilt als zentral: Nicht allein die Hitze, sondern die Kombination aus verlorengegangenem Brandschutz, thermischer Ausdehnung und mechanischem Zerren brachte die Außenstützen zum Versagen.
Warum der Südturm früher fiel
Der Südturm wurde später getroffen und stürzte früher ein. Das wirkt auf den ersten Blick paradox. Es erklärt sich durch Geometrie und Schadenmuster: Der Einschlag traf ihn versetzt in eine Ecke und tiefer als beim Nordturm.
Dadurch waren die Lasten ungleich verteilt, manche Stützen höher belastet und schneller überfordert. Außerdem hatte die lokalisierte Beschädigung der Ecke ungünstige Hebelwirkungen. So kam die kritische Instabilität schneller.
Ablauf des Anschlags vom 11. September 2001
Zeitzonen: EDT = New York (UTC−4) • MESZ = Deutschland (UTC+2)
- 07:59 EDT / 13:59 MESZ – American Airlines Flug 11 (Boeing 767) startet in Boston.
- 08:14 EDT / 14:14 MESZ – United Airlines Flug 175 (Boeing 767) startet in Boston.
- 08:20 EDT / 14:20 MESZ – American Airlines Flug 77 (Boeing 757) startet in Washington Dulles.
- 08:42 EDT / 14:42 MESZ – United Airlines Flug 93 (Boeing 757) startet in Newark.
- 08:46 EDT / 14:46 MESZ – AA11 trifft den Nordturm (WTC 1) zwischen 93.–99. Etage.
- 09:03 EDT / 15:03 MESZ – UA175 trifft den Südturm (WTC 2) zwischen 77.–85. Etage.
- 09:37 EDT / 15:37 MESZ – AA77 schlägt am Pentagon ein.
- 09:59 EDT / 15:59 MESZ – WTC 2 (Südturm) stürzt ein.
- 10:03 EDT / 16:03 MESZ – UA93 stürzt nahe Shanksville, Pennsylvania, ab.
- 10:28 EDT / 16:28 MESZ – WTC 1 (Nordturm) stürzt ein.
- 17:20–17:21 EDT / 23:20–23:21 MESZ – WTC 7 kollabiert nach mehrstündigen Bränden.
Hinweis: Uhrzeiten gerundet; Sekundenangaben variieren je nach Quelle.
Der Ablauf des Kollapses
Ingenieure sprechen von „progressivem Kollaps“. Das bedeutet: Ein lokales Versagen zieht weitere nach sich. Beim WTC liefen zwei Phasen ab. Zuerst gab die Zone um die Einschlaggeschosse nach. Der obere Block begann zu fallen und traf auf das erste intakte Geschoss darunter.
Dieses konnte die plötzlich anfallende Zusatzlast nicht aufnehmen. Es gab nach. Wiederholte sich Geschoss für Geschoss. So setzte sich der Kollaps wie eine Welle nach unten fort. Das erklärt auch, warum Staub und Luft aus tieferen Etagen schlagartig aus Fenstern traten.
Zdeněk Bažant, ein Pionier der Kollaps-Mechanik, hat diese Dynamik schon kurz nach dem Ereignis in einer vereinfachten Rechnung gezeigt: Wenn ein Geschoss versagt und genügend Masse darüber fällt, ist der Rest kaum zu stoppen. Freier Fall war es dennoch nicht; Reibung, Verformung und Schuttschichten bremsten. Aber die Verzögerung reichte nicht, um die Türme zu retten.

„Hat das Kerosin den Stahl geschmolzen?“ – eine häufige Frage
Kurz: Nein. Normale Bürobrände erreichen Temperaturen, die Stahl deutlich schwächen, aber nicht schmelzen. Entscheidend ist: Schon bei ~500–600 °C verliert Stahl einen großen Teil seiner Tragfähigkeit. Er dehnt sich, biegt sich, und Verbindungen lockern sich. Genau das reichte, um die Konstruktion in die Instabilität zu treiben.
Die FEMA schrieb dazu früh: “ Die durch diesen brennenden Flugzeugtreibstoff erzeugte Hitze allein scheint nicht ausreichend gewesen zu sein, um den Einsturz der Gebäude zu verursachen. Als sich der brennende Flugzeugtreibstoff jedoch über mehrere Stockwerke der Gebäude ausbreitete, entzündete er einen Großteil des Gebäudebestands…
Über einen Zeitraum von mehreren Minuten hinweg führte diese Hitze zu zusätzlichen Belastungen der beschädigten Tragwerke, während sie gleichzeitig diese Tragwerke aufweichte und schwächte… ausreichend, um den Einsturz beider Gebäude zu verursachen.”
WTC 7: Das Rätsel des dritten Einsturzes
WTC 7 stand nördlich der Zwillingstürme. Als der Nordturm zusammenbrach, trafen Trümmer die Südfassade und entzündeten Brände über mehrere Etagen. Da das Löschwasser fehlte, griffen sie unkontrolliert um sich.
Am Nachmittag kam es zu einem kritischen Punkt: In der Nähe der Stütze „Column 79“ dehnten sich erhitzte Träger, ein Stahlträger rutschte aus seiner Auflagerung, mehrere Stockwerke verloren ihre seitliche Stabilität. Um 17:20 Uhr stürzte das ganze Gebäude ein.
Messungen zeigen eine kurze Phase fast freier Fallbeschleunigung über acht Stockwerke – erklärbar durch den plötzlichen Verlust der inneren Struktur. Sprengstoffspuren fanden die Ermittler nicht. WTC 7 war damit das erste Hochhaus weltweit, das allein infolge von Bränden kollabierte.
Warum Rettung fast unmöglich war
Im Nordturm waren alle drei Treppenhäuser oberhalb der Einschlagzone zerstört – niemand konnte entkommen. Im Südturm blieb ein Treppenhaus intakt, 18 Menschen überlebten.
Die Kommunikation zwischen Feuerwehr und Polizei funktionierte kaum. Funkprobleme und parallele Kommandostrukturen führten dazu, dass viele Feuerwehrleute noch in den Gebäuden waren, als diese kollabierten. Beim Anschlag auf das World Trade Center starben 2.749 Menschen.

Streitpunkte – und was die Untersuchungen dazu sagen
Direkt nach den Einstürzen standen viele Fragen im Raum. Wer untersucht das überhaupt? Anfangs sammelte die FEMA (mit ASCE) Daten und publizierte 2002 den ersten technischen Bericht. 2002 bekam NIST per National Construction Safety Team Act den Auftrag für eine umfassende, mehrjährige Untersuchung. 2005 erschien der Abschlussbericht zu WTC 1/2, 2008 folgte WTC 7.
Die NIST-Analysen nutzten umfangreiche Brand- und Strukturmodelle und verglichen sie mit Video, Fotos und den wenigen geborgenen Stahlteilen. Ergebnis: Kein Nachweis für Sprengstoffe; die aus Bränden und Schäden erklärten Szenarien passen zu den beobachteten Verformungen, Zeiten und Schadensbildern.
Ein Einwand lautete: „Zu wenig Beweise, zu wenig Stahl für Laboruntersuchungen.“ NIST benennt selbst die Knappheit an physischem Material. Das bleibt eine Grenze, ändert aber nicht das Bild, das verschiedene, voneinander unabhängige Modellierungen und Beobachtungen zeichnen. Auch externe Teams, etwa an der Northwestern University oder am MIT, kamen früh zu mechanisch konsistenten Erklärungen.
Was die Technik daraus lernte
Mehrgeschossbrände, die über lange Zeit unkontrolliert brennen, können Stahlbauwerke in die Instabilität treiben – ohne dass Stahl schmilzt. Entscheidend sind:
- Brandschutz, der dort bleibt, wo er hingehört.
- Verbindungen zwischen Böden, Fassaden und Kern.
- Robustheit gegen progressive Kollapsketten, auch bei lokalen Schäden.
NIST empfahl, die Bemessung künftig robuster zu denken: thermische Ausdehnung berücksichtigen, auch ohne Sprinkler einen Teil der Tragfähigkeit nachweisen, Evakuierung und Kommunikation verbessern. Für hohe Gebäude ist das heute international in Regeln eingeflossen.

Ein Bild in einfachen Worten
Stellen Sie sich eine Hängebrücke im Zimmer vor. Sie ist zwischen Kern und Außenwand aufgespannt. Jetzt erhitzen Sie die Seile. Sie dehnen sich, hängen durch, ziehen an den Endpunkten. Wird der Zug zu groß, knicken die Stützen am Rand ein.
Kommt dann die schwere Last von oben ins Rutschen, bricht die Konstruktion Geschoss um Geschoss. Nicht, weil ein einzelnes Teil „explodiert“, sondern weil das System die Kettenreaktion nicht mehr stoppt. Genau so beschreiben es die offiziellen Analysen – mit allen Nuancen von Material, Geometrie und Feuerdynamik.
Kurz gesagt
- Flugzeugeinschlag + weiträumige, lang andauernde Brände führten zu Verformungen und Schwächung.
- Durchhängende Böden zogen die Fassade nach innen, Stützen knickten.
- Der obere Block setzte sich in Bewegung. Der progressive Kollaps lief Geschoss um Geschoss nach unten.
- WTC 7 stürzte stundenspäter nach innerem Säulenausfall infolge unkontrollierter Brände ein; eine kurze Freifallphase ist dokumentiert und erklärt.
- Sprengstoffbelege fanden die Untersuchungen nicht.
- Aus den Erkenntnissen folgten Änderungen bei Regeln zu Brandschutz, Robustheit und Evakuierung.
Quellen (Auswahl)
- NIST, Abschlussbericht WTC 1/2 (2005) und ergänzende Unterlagen zu Verformungen/In-Ward-Bowing. NIST Veröffentlichungen+2NIST+2
- NIST, Abschlussbericht WTC 7 (2008) und FAQs. NIST+1
- FEMA, Building Performance Study / Datenerhebung zum WTC-Stahl (2002). fema.gov
- Bažant u. a., Analysen zum progressiven Kollaps. civil.northwestern.edu+1
- Eagar (MIT), Brandtemperaturen und Stahlverhalten. tms.org+1
- CDC, WTC-Health-Program (Langzeitfolgen). CDC