Putzrisse außen und innen: Sanieren statt nur kaschieren

Von Dominik Hochwarth

Ein Spaziergang ums eigene Haus kann ernüchternd sein. Eben noch strahlte die Fassade frisch verputzt in der Sonne, nun ziehen sich feine Linien über die Oberfläche. Manche kaum sichtbar, andere deutlich erkennbar. Ein Riss im Putz wirkt zunächst wie ein Schönheitsfehler. Doch Fachleute wissen: Hinter diesen Linien können sich ernste Probleme verbergen. Denn Putz ist nicht nur Dekoration, sondern die „Haut“ des Gebäudes. Sie schützt Mauerwerk vor Regen, Frost und Hitze. Wird diese Haut verletzt, dringt Feuchtigkeit ein – mit Folgen bis ins Tragwerk.

Putzrisse

„Ein Riss im Putz ist an sich relativ alltäglich und muss keine große Sache sein. (…) Ein Riss im Putz kann aber auch Symptom für einen tieferliegenden schweren Schaden im Bauwerk sein.“ – so beschreibt es ein Fachtext treffend.

Die Kunst besteht also darin, zwischen harmlosen und gefährlichen Rissen zu unterscheiden – und zu wissen, wie man ihnen vorbeugt oder sie fachgerecht saniert.

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Warum Putzrisse entstehen

Jeder Riss hat eine Ursache. Mal ist es das Material selbst, mal der Untergrund, mal das ganze Bauwerk. Fachleute unterscheiden drei Hauptgruppen:

  • putzbedingte Risse – sie entstehen im Putz selbst, oft durch falsches Mischen, zu schnelles Trocknen oder zu dicken Auftrag.
  • putzgrundbedingte Risse – hier liegt das Problem im Untergrund, also im Mauerwerk oder Beton. Dehnt sich der Untergrund bei Feuchtigkeit oder Temperatur aus, reißt der Putz mit.
  • bauwerksbedingte Risse – die schwerste Kategorie. Hier bewegen sich Teile des Gebäudes selbst, etwa durch Setzungen im Boden oder durch Lasten in der Konstruktion.

Hinzu kommt eine Reihe von Spezialfällen: Kerbrisse, die diagonal von Fenster- oder Türöffnungen ausgehen. Schubrisse, die sich im Bereich von Geschossdecken zeigen. Oder Sackrisse, die sofort nach dem Auftragen des Putzes auftreten, wenn dieser zu dick oder zu weich war.

Ein einfaches Prinzip gilt immer: Ein Riss entsteht, wenn Zug- oder Druckspannungen größer sind als die Festigkeit des Materials.

Harmlos oder gefährlich? Ein Blick genügt oft nicht

Nicht jeder Riss bedeutet gleich Alarmstufe Rot. Haar- oder Netzrisse sind häufig nur wenige Millimeter tief und haben kaum Einfluss auf den Schutz der Fassade. Sie fallen meist erst auf, wenn man sie mit Wasser aus einer Sprühflasche benetzt – dann treten sie deutlicher hervor.

Ganz anders sieht es bei breiten, durchgehenden Rissen aus. Sie öffnen den Weg für Nässe, die ins Mauerwerk eindringt. Dort kann sie zu Frostschäden führen oder sogar Bewehrungsteile aus Stahl angreifen. Bauleute ziehen als Faustregel oft die Grenze bei 0,2 mm Rissbreite. Alles darunter gilt in vielen Fällen nicht als Mangel. Aber: Auch kleine Risse können sich entwickeln. Deshalb empfehlen Fachleute, sie über einen gewissen Zeitraum zu beobachten.

Ein bewährter Trick ist der Gipstest: Dabei kratzt man den Riss an einer Stelle auf, trägt frischen Gips auf und wartet ein bis zwei Wochen. Zeigt der Gips selbst wieder einen Riss, bewegt sich das Bauwerk – ein klares Zeichen für ein tiefer liegendes Problem.

Schrumpfrisse im Putz
Schrumpfrisse im Putz
Sackrisse im Putz
Sackrisse im Putz

Typische Rissarten im Überblick

Jede Rissart hat ihre eigene Geschichte. Wer sie kennt, erkennt die Ursache – und kann die passende Lösung wählen.

  • Schrumpfrisse: entstehen schnell nach dem Verputzen, oft schon nach ein bis zwei Stunden. Sie sind netzförmig, sehr fein und treten besonders bei Kalkputzen auf. Ursache: zu schnelles Austrocknen.
  • Sackrisse: verlaufen horizontal, bis zu 20 cm lang und einige Millimeter breit. Sie entstehen, wenn der Putzauftrag zu dick oder zu weich ist.
  • Schwindrisse: tauchen erst nach Wochen oder Monaten auf. Sie ziehen sich oft netzartig über die Fläche und reichen bis zum Untergrund.
  • Fugenrisse: folgen den Mauerwerksfugen. Ursache sind meist unzureichend gefüllte Stoß- oder Lagerfugen.
  • Kerbrisse: gehen diagonal von Ecken von Türen oder Fenstern aus, typisch bei Spannungen im Mauerwerk.
  • Schubrisse: zeigen sich im Bereich von Geschossdecken, dort wo Beton auf Mauerwerk trifft. Unterschiedliche Wärmeleitfähigkeit erzeugt Spannungen.

Diese Klassifizierung mag auf den ersten Blick trocken wirken. Doch für die Sanierung ist sie entscheidend. Denn wer die Ursache nicht kennt, saniert nur die Symptome – und der Riss kommt bald zurück.

Schwindrisse im Putz
Schwindrisse im Putz
Kerbrisse am Fenster
Kerbrisse am Fenster

Sanieren – von Spachteln bis Wärmedämmung

Wie lassen sich Risse im Putz beheben? Die Antwort hängt von der Art, Tiefe und Ursache ab. Fachleute unterscheiden zwischen Einzelrisssanierung und flächiger Risssanierung.

Einzelrisssanierung

Hier geht es um einzelne, klar abgrenzbare Risse. Drei Methoden stehen zur Wahl:

  1. starrer Rissverschluss – geeignet bei ruhenden Rissen. Der Riss wird ausgekratzt, gereinigt und mit Mörtel oder Spachtelmasse verschlossen.
  2. Rissüberbrückung – der Riss bleibt, wird aber mit einem flexiblen Putz oder einer Beschichtung abgedeckt.
  3. flexibler Rissverschluss – der Riss wird zu einer Dehnfuge umgestaltet, die Bewegungen aufnehmen kann.

Besonders beliebt sind Spachtelmassen aus dem Baumarkt. Sie enthalten oft Kautschuk oder Fasern, was sie elastisch macht. Wichtig ist, in dünnen Schichten zu arbeiten. Eine einzelne Spachtellage sollte nicht dicker als 4 mm sein.

Flächige Sanierung

Wenn sich Risse über größere Flächen ziehen, helfen punktuelle Ausbesserungen nicht mehr. Hier kommen verschiedene Systeme zum Einsatz:

  • rissüberbrückende Beschichtungen auf Kunstharzbasis – elastische Fassadenanstriche, die kleine Bewegungen mitmachen.
  • mineralische Oberputze – decken Risse ab, eignen sich aber nur bei ruhenden Rissen.
  • gewebearmierte Spachtelungen – eine zusätzliche Schicht mit Armierungsgewebe, die den Putz stabilisiert.
  • Wärmedämmputzsysteme oder WDVS – sie verbessern zugleich die Energiebilanz. Die Dämmplatten überbrücken Risse, das Armierungsgewebe sorgt für Stabilität.
  • vorgehängte Fassaden – die aufwendigste Lösung, aber optisch völlig neu gestaltbar.
Fugenrisse im Mauerwerk
Fugenrisse im Mauerwerk
Schubrisse im Bereich der Decke
Schubrisse im Bereich der Decke

Selbst Hand anlegen oder Fachkraft rufen?

Viele kleine Risse können geübte Heimwerker selbst reparieren. Doch Vorsicht: Wer einen dynamischen Riss, also einen sich verändernden Riss, falsch behandelt, riskiert größere Schäden. Ein Wärmedämmverbundsystem etwa kann durch Setzungsrisse im Bauwerk schnell wieder zerstört werden.

Deshalb gilt: Bei breiten, langen oder wiederkehrenden Rissen sollte immer eine Fachkraft hinzugezogen werden. Gutachteroder Bauingenieure erkennen, ob ein statisches Problem dahintersteckt. Sie beantworten Fragen wie: Handelt es sich um Pfusch am Bau? Oder um eine Bewegung des Baugrunds? Davon hängt die richtige Sanierung ab.

Vorbeugen ist besser als Sanieren

Am zuverlässigsten lassen sich Risse vermeiden, wenn schon beim Verputzen auf Details geachtet wird:

  • Der Untergrund muss sauber, tragfähig und frei von Staub oder mürbem Altputz sein.
  • Materialwechsel, etwa zwischen Beton und Mauerwerk, erfordern besondere Bewehrungen im Putz.
  • Frischer Putz darf nicht zu schnell austrocknen – Sonnenschutz und Befeuchtung helfen.
  • Dunkle Anstriche heizen die Oberfläche stark auf. Das erzeugt hohe Spannungen und begünstigt Risse.

Viele dieser Regeln sind seit Generationen bekannt. „Auch bei immer kürzer werdenden Bauzeiten und hochentwickelten Putzzusammensetzungen haben viele alte Putzerregeln noch ihre Berechtigung“, heißt es in einer Veröffentlichung.

Mit anderen Worten: Wer alte Handwerksregeln beachtet, spart später oft teure Sanierungen.

Putzrisse – Schönheitsfehler oder ernste Gefahr?

Am Ende bleibt die Frage: Muss jeder Riss sofort behandelt werden? Nicht unbedingt. Manche Risse sind rein optisch störend. Andere gefährden die Funktion der Fassade. Die Grenze liegt häufig bei 0,2 mm. Doch die Bewertung ist immer Einzelfallarbeit. Ein Riss in einer Garage mag vernachlässigbar sein, im Wohnzimmer oder an einer denkmalgeschützten Fassade sieht das anders aus.

Sachverständige vergleichen die Beurteilung von Rissen gern mit einem Arztbesuch: Zuerst sammelt man alle Informationen, ohne gleich zu operieren. Erst wenn die Diagnose klar ist, wird behandelt.

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