Einsteiger-Ratgeber: Was ist Spannbeton?

Von Dominik Hochwarth

So ungefähr kann sich wahrscheinlich jeder etwas unter Spannbeton vorstellen – es handelt sich um einen Beton, der irgendwie gespannt wird. Doch was wird gespannt? Wie funktioniert das genau und wofür wird er verwendet? Die wichtigsten Antworten auf diese Fragen finden Sie in diesem Einsteiger-Ratgeber Spannbeton.

Spannbetonbrücke Vaso Da Gama Lissabon
Mit Spannbeton lassen sich große Spannweiten realisieren – wie bei der Vasco da Gama Brücke in Lissabon

Das erwartet Sie in diesem Beitrag

Wie funktioniert Spannbeton?

Wie bei Stahlbeton entsteht Spannbeton durch das Zusammenwirken von Beton und hochfestem Stahl. Der Unterschied liegt darin, dass bei Spannbeton das verwendete Stahl mit Hilfe von Spanngliedern vorgespannt und dann im gespannten Zustand mit dem Beton verbunden wird.

Funktionsweise Stahlbeton
Funktionsweise Stahlbeton unter Belastung
Funktionsweise Spannbeton
Funktionsweise Spannbeton unter Belastung

Im ausgehärteten Zustand wird dadurch im Innern des Bauteilquerschnitts Druck erzeugt, wo eigentlich Zugkräfte herrschen. Das ist gut für den Beton, denn der kann wesentlich besser mit Druck- als mit Zugkräften umgehen. Spannbeton ist somit belastbarer als normaler Stahlbeton.

Spannbeton braucht zusätzlich zur Spannungsbewehrung immer auch eine „schlaffe“ Bewehrung. Bauteile werden vorwiegend in Längsrichtung vorgespannt. Es lassen sich verschiedene Arten unterscheiden – je nach Grad der Vorspannung, nach dem Zeitpunkt des Spannens und nach Art der Verbundwirkung zwischen Spannglied und Beton.

Das Prinzip von Spannbeton im Detail

Im vorigen Kapiteln haben Sie bereits erfahren, dass mit Hilfe von Spannbeton dort Druck erzeugt wird, wo eigentlich Zugkräfte vorzufinden sind. Das ist bei einem liegenden Balken zum Beispiel an der Unterseite des Querschnitts.

Aufgrund des Eigengewichts des Betons und der Belastungen von oben, will sich der Balken in der Mitte nach unten durchbiegen, dadurch entstehen dort Zugspannungen – das heißt der Balken wird oben gestaucht und unten gedehnt.

Bei korrekt ausgeführtem Spannbeton ist das anders, denn dort herrschen im ganzen Querschnitt Druckspannungen. Die Gefahr von Rissen wird gebannt und der Beton kann seine Vorteile ausspielen – er ist nämlich sehr, sehr druckfest, aber nur mäßig zugfest. Daher wird überhaupt Stahl verwendet.

Anordnung der Spannglieder

Wie bereits geschrieben, wird der Stahl im Spannbeton mit Hilfe von sogenannten Spannglieder angespannt. Diese können genau mittig im Betonquerschnitt angeordnet sein oder auch ausmittig. Der Spannstahl liegt also dann nicht mitten im Querschnitt.

Mittige Vorspannung

Bei mittigen Vorspannung liegen die Spannglieder in der Schwerachse des Betonbauteils. Das erzeugt einen gleichmäßigen Druck über den gesamten Querschnitt. Dieser Druck baut sich teilweise oder ganz ab, wenn das Bauteil belastet wird.

Dadurch entstehen in der Druckzone zusätzliche Druckkräfte. Eine mittige Vorspannung erfolgt in der Regel nur bei Bauteilen, bei denen die Momente keine bestimmte Richtung haben – zum Beispiel bei Masten infolge wechselnder Belastung.

Ausmittige Vorspannung

Eine etwas geringere Spannkraft ist bei einer ausmittigen Vorspannung notwendig. Mit ihr lässt sich in der Zugzone eine so große Druckspannung erzeugen wie die später unter Gebrauchslast erzeugte Zugspannung. Eine ausmittige Vorspannung findet man häufig bei biegebeanspruchten Bauteilen, wobei sich die Lage der Spannglieder nach dem Verlauf der Biegemomente richtet.

Ein paar Worte zum Moment in der Statik
Da wir uns hier in einem Einsteiger-Ratgeber befinden, hier noch einiges über das Moment in der Statik. Ein Moment entsteht durch eine Kraft, die über einen Hebelarm auf eine Drehachse wirkt. Als Hebelarm wird hierbei der Abstand zwischen der angreifenden Kraft und der Drehachse bezeichnet. Das Biegemoment ergibt sich demnach aus Kraft x Hebelarm und wird in Nm (Newton-Meter) angegeben.

Welche Arten von Spannbeton gibt es?

Spannbeton lässt sich auf verschiedene Arten vor oder nach dem Erhärten des Betons herstellen. Zusätzlich wird nach DIN 1045 noch unterschieden zwischen:

  • Vorspannen mit sofortigem Verbund
  • Vorspannen mit nachträglichem Verbund
  • Vorspannen ohne Verbund

Spannen vor dem Erhärten des Betons

Diese Art von Spannbeton ist nichts für die Baustelle – sie wird in der Regel in großen Werkstätten für Betonfertigteile angewandt. Der Grund liegt in der aufwändigen Herstellungsart, denn es braucht besondere Einrichtungen wie zum Beispiel ein Spannbett. Solch ein Spannbett besteht aus zwei unverschieblichen Widerlagern und einer Spannpresse.

Fertigteil aus Spannbeton
Fertigteil aus Spannbeton

Dort werden die Spanndrähte oder Spannglieder zusammen mit der schlaffen Bewehrung in eine Schalung eingebaut und gespannt. Nun kann betoniert werden. Mit dem Erhärten entsteht ein Verbund zwischen den Eisen und Beton. Es kann hierfür nicht jeder Beton verwendet werden, er muss mindestens der Festigkeitsklasse C30/37 entsprechen.

Ist der Beton komplett durchgehärtet, werden die Verankerungen der Spannglieder gelöst. Dadurch geht die Spannkraft über den Haftverbund auf den Beton über. Das ist das, was wir oben als sofortigen Verbund bezeichnet haben. Insbesondere Spannbetonträger werden auf diese Weise und in Serie in einem Werk vorgefertigt, bevor sie auf die Baustelle kommen.

Spannen nach dem Erhärten des Betons mit nachträglichem Verbund

Sollen Spannbeton-Bauteile auf der Baustelle hergestellt werden, kommt insbesondere dieses Verfahren zum Einsatz. Damit ein nachträglicher Verbund möglich ist, braucht es sogenannte Hüllrohre, die als Gleitkanäle dienen.

Die Spannglieder werden in die Hüllrohre eingelegt, danach kann betoniert werden. Der Beton braucht hierfür keine ganz so hohe Festigkeitsklasse, C25/30 reicht aus. Es gibt zudem die Möglichkeit, die Spannbewehrung nach dem Erhärten des Betons in die einbetonierten Hüllrohre „einzuschießen“.

Spannbeton auf der Baustelle herstellen
Spannbeton auf der Baustelle herstellen bei einer Spannbetondecke

Je nach Länge der Spannglieder und den Bedingungen auf der Baustelle, unterscheidet sich die Arbeitsweise beim Einbau etwas. Kürzere Spannglieder können zusammen mit der schlaffen Bewehrung verlegt werden, bei längeren Spanngliedern wird erst die schlaffe Bewehrung hergestellt.

Ganz gleich, welche der vorgenannten Varianten zum Einsatz gekommen sind: Hat der Beton eine bestimmte Festigkeit erreicht, werden sie Spannglieder mit Hilfe von hydraulischen Pressen gespannt und verankert. Anschließend werden die Hüllrohre mit Mörtel ausgepresst. Erst dadurch entsteht der Verbund zwischen Beton und Spannglied.

Spannen ohne Verbund

Bei dieser Art des Stahlbetons können sich die Spannglieder zwischen den Ankerstellen zum Beton relativ verschieben. Es lassen sich externe und interne Vorspannung unterscheiden.

  • Bei der externen Vorspannung liegen die Spannkabel nicht im Betonquerschnitt, sondern sind freispannend.
  • Bei der internen Vorspannung sind sie zwar mit einbetoniert, die Hüllrohre werden allerdings nicht mit Zement umhüllt, sondern mit Fett.

Ein Spannen ohne Verbund hat den Vorteil, dass der Spannstahl jederzeit nachgespannt werden kann und es treten durch äußere Lasten kaum Spannungsänderungen im Stahl auf.

Spannglieder und Hüllrohre

Wir haben jetzt häufig die Begriffe „Spannglied“ und „Hüllrohr“ verwendet, hier kommen noch einige Sätze dazu:

Bei Spannglieder handelt es sich ganz einfach um Stahleinlagen. Sie werden für den sofortigen Verbund ohne Hüllrohr, für den nachträglichen Verbund mit Hüllrohr einbetoniert. Als Spannglieder kommen Einzelstäbe oder Bündel zum Einsatz – wobei diese aus glatten oder gerippten Eisen sowie aus Litzen bestehen können.

Hüllrohre bestehen in der Regel aus gewelltem Stahlblech, es gibt aber auch welche aus Kunststoff, die jedoch nicht genormt sind. So braucht es immer eine gesonderte Zulassung. Wichtig ist, dass die Hüllrohre dicht sind, damit beim Betonieren kein Beton reinfließt. Außerdem dürfen sie dabei nicht beschädigt werden.

Unteransicht einer Spannbetonbrücke
Unteransicht einer Spannbetonbrücke

Vor- und Nachteile des Spannbetons

Wir kommen langsam zum Abschluss unseres kleinen Spannbeton-Exkurses für Einsteiger und zu den Vor- Nachteilen des Baustoffes.

Hier die Vorteile des Spannbetons in kurzen Stichworten:

  • Weiterentwicklung des Stahlbetons, besser geeignet für große Spannweiten
  • Schlankere Bauteil möglich – höhere Tragfähigkeit bei gleichzeitiger Materialeinsparung
  • Geringe Verformung der Bauteile, dadurch Rissefreiheit der Betonoberfläche
  • Bessere Korrosionsschutz im Vergleich zum Stahlbeton

Hier einige Nachteile und Probleme:

  • Spannbeton ist in der Herstellung teurer als Stahlbeton
  • Erfordert komplexere Schalungen und ist weniger flexibel
  • Geringerer Fehlerspielraum, große Sorgfalt und Vorsicht geboten

Wer hat Spannbeton erfunden?

Wie so oft bei anderen Erfindungen zu beobachten, hat der Spannbeton verschiedene Väter. Der Amerikaner Jackson machte bereits 1886 den Vorschlag, Beton vorzuspannen. In Berlin wurde 1888 von W. Döhring ein Patent angemeldet, das die Rissminimierung von Platten oder Balken vorsah, die gespannte Drahteinlagen besaßen.

Richtig vorangebracht hat Spannbeton der französische Ingenieur Eugéne Freyssinet, der auch als sein moderne Vater bezeichnet wird. Er hat sich intensiv mit der Technik befasst und zwischen 1928 und 1936 einige Patente eingereicht. Der Franzose errichtete auch die ersten Spannbetonwerke, die sowohl aus im Spannbett als auch mit Kabel vorgespannten Elementen bestanden.

In Aue wurde 1937 die erste Spannbetonbrücke errichtet, die erste Brücke mit Vorspannung im Verbund entstand 1938 zwischen Beckum und Oelde. Gebaut wurde die Spannbetonbrücke von Franz Dischinger – nach dem Verfahren von Eugéne Freyssinet. Sie steht heute als technisches Denkmal an der Raststätte Vellern.

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