Camp Nou – ein Stadion erfindet sich neu

Von Dominik Hochwarth

Das Camp Nou, Heimat des FC Barcelona, wird seit 2022 umfassend saniert. Mit nachhaltigen Bauverfahren, Recycling und digitalen Werkzeugen entsteht ein modernes Stadion mit 106.000 überdachten Plätzen. Wir schauen uns an, wie einer der faszinierendsten Fußballtempel der Welt in ein neues Zeitalter geführt wird.

Luftbild Camp Nou
Das „alte“ Camp Nou versprühte traditionellen Charme, war aber in die Jahre gekommen

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Ein Fußballtempel im Wandel

Das Camp Nou ist das größte Fußballstadion Europas. Seit 1957 ist es Heimstätte des FC Barcelona – für viele Fans weit mehr als nur ein Ort für Spiele. Doch das Stadion war in die Jahre gekommen. Veraltete Technik, mangelnder Komfort und keine vollständige Überdachung machten eine Sanierung unumgänglich.

Im Juni 2022 begannen schließlich die Umbauarbeiten, eingebettet in das Großprojekt „Espai Barça“. Geplant ist nicht nur eine Erweiterung auf 105.000 überdachte Plätze, sondern auch ein Stadion, das Energie spart, Ressourcen schont und mit digitaler Technik optimiert wird.

Nachhaltig bauen: Beton, Stahl und ein zweites Leben

Zentrales Ziel des Umbaus ist es, Materialien möglichst im Kreislauf zu halten. Der FC Barcelona verfolgt dabei das Prinzip der Kreislaufwirtschaft. Anstatt Altmaterial zu entsorgen, wird es aufbereitet und im Neubau wiederverwendet.

Auf dem Gelände des ehemaligen Mini Estadi steht dazu eine spezielle Anlage. Sie verarbeitet den beim Rückbau angefallenen Beton und Stahl. Der Beton wird zerkleinert, nach Körnung sortiert und kann dann wieder in neuen Bauteilen eingesetzt werden – etwa für Untergründe oder Gräben. Bis zu 100 % Wiederverwertung sind bei nicht tragenden Bauteilen erlaubt, bei tragenden immerhin noch 20 %.

Auch der Stahl wird recycelt. Ein externes Unternehmen übernimmt die Aufbereitung und liefert das Material zurück – mit einem Anteil von mindestens 97 % wiederverwertetem Inhalt. Dieser recycelte Stahl fließt anschließend in neue Konstruktionen des Stadions ein, etwa in die tragenden Elemente des Dachs.

Laut Club sollen rund die Hälfte des CO₂-Ausstoßes eingespart werden, der normalerweise beim Einsatz von neuem Beton und Stahl entstehen würde.

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Technik trifft auf Tradition

Der Bauunternehmer Limak, verantwortlich für das Großprojekt, setzt auf eine Mischung aus bewährten Methoden und modernen Konzepten. Ziel ist es, das neue Stadion effizient und im Zeitplan fertigzustellen – ohne dabei die Geschichte des Camp Nou zu übergehen.

Die Kapazität steigt von etwa 99.000 auf 106.000 Plätze. Gleichzeitig bleibt die ursprüngliche Form des Stadions erhalten. Zusätzlich integriert das Bauunternehmen neue Funktionen wie eine riesige Dachkonstruktion aus Seilnetz, auf der Solarmodule installiert werden.

„Wir kombinieren historische Architektur mit modernen technischen Anforderungen“, erklärt Gokalp Kahraman, Regionaldirektor bei Limak.

Umbau Camp Nou
Noch laufen die Umbauarbeiten am Camp Nou auf vollen Touren – hier ein Foto von Ende 2024. Foto: IMAGO / Steinsiek.ch

Koordination auf höchstem Niveau

Um den Bauablauf effizient zu steuern, setzt Limak auf das CMES-Konzept (Construction Methodology Erection Sequence). Dabei werden Abriss, Aushub, Kellerbau und Dachmontage präzise aufeinander abgestimmt.

Die Dachkonstruktion zählt dabei zu den herausforderndsten Elementen: Sie soll nicht nur Schatten spenden, sondern auch Strom erzeugen. Geplant sind Photovoltaikanlagen auf rund 30.000 m² Dachfläche. Zudem wird das Stadion an ein Fernwärme- und Kühlnetz angeschlossen und nutzt eine geothermische Anlage zur Energiegewinnung.

Mit sechs Turmdrehkränen, die zu den größten der Welt zählen, wird das Baumaterial effizient bewegt. So können verschiedene Bauphasen parallel laufen – ein entscheidender Vorteil angesichts der engen Zeitvorgaben.

Digitale Werkzeuge sorgen für Überblick

Digitalisierung spielt beim Umbau eine große Rolle. Das Stadionprojekt wird durchgehend mit BIM (Building Information Modeling) begleitet. Diese digitale Methode erlaubt eine lückenlose Planung und Überwachung – von der Materialbeschaffung über den Energieverbrauch bis hin zur Kostenkontrolle.

Zudem kommen digitale Proben, Sensorik und ein Echtzeit-Dokumentenmanagement zum Einsatz. Die Baustelle wird digital überwacht, Maschinenleistung und Emissionen werden analysiert. Diese Technologie ermöglicht schnelle Entscheidungen, verbessert die Zusammenarbeit und reduziert Fehlerquellen.

Rückschläge bei der Umsetzung

Trotz aller Planung läuft der Umbau nicht wie vorgesehen. Eigentlich wollte der Verein am 29. November 2024 – dem 125. Jubiläum – ins Camp Nou zurückkehren. Doch technische Probleme, Lieferengpässe und ein langsamer Baufortschritt führen zu Verzögerungen.

Laut aktuellen Planungen wird das Stadion frühestens im September 2025 wieder genutzt – also erst zur Saison 2025/26. Das belastet die Finanzen des Vereins erheblich. Jedes Heimspiel im deutlich kleineren Olympiastadion bringt rund 43.000 weniger verkaufte Tickets. Insgesamt fehlen dem Club laut eigenen Angaben rund 30 Millionen Euro an Einnahmen. Da es dem Verein sowieso finanziell schlecht geht, erhöht das den Druck zusätzlich.

Damit scheint man derzeit gut umzugehen. Die Elf von Trainer Hansi Flick aus meiner badischen Heimat steht in allen Wettbewerben vor großen Erfolgen. Den Pokal hat Barça bereits gewonnen, der Meistertitel und die Champions-League könnten noch folgen. Ob Hansi als Trainer des FC Bammental und später der TSG Hoffenheim davon jemals geträumt hat?

Camp Nou
Blick in das weite Rund des Camp Nou vor dem Umbau

Eine lange Vorgeschichte

Der Umbau des Camp Nou ist kein neues Vorhaben. Bereits 2007 stellte der damalige Präsident Pläne für eine Modernisierung vor. Damals sollte der britische Architekt Norman Foster das Stadion neu gestalten. Aufgrund der hohen Kosten legte man das Projekt jedoch auf Eis.

Erst ab 2014 nahm man neue Anläufe. Die japanische Architekturfirma Nikken Sekkei entwickelte einen Entwurf, der unter anderem ein neues Museum und Büroflächen vorsah. Auch dieser Plan kam zunächst nicht zur Umsetzung.

2021 dann der Neustart: Die Mitglieder des FC Barcelona stimmten mit großer Mehrheit für das Espai-Barça-Konzept. Es sieht nicht nur den Umbau des Camp Nou vor, sondern auch neue Sportanlagen wie den Palau Blaugrana mit 15.000 Plätzen. Das Gesamtbudget: rund 1,5 Milliarden Euro.

Ein Ort für mehr als Fußball

Das Camp Nou der Zukunft soll weit mehr sein als ein Stadion. Es entsteht ein multifunktionaler Komplex. Neben dem Fußball sollen dort Konzerte, Veranstaltungen und Ausstellungen stattfinden. Ein spezielles Highlight ist das geplante „Memorial FC Barcelona“. Hier können über 26.000 Urnen und rund 9.000 Gedenktafeln untergebracht werden – ein Ort der Erinnerung für Fans, die dem Club auch nach dem Tod nah sein wollen.

Auch gastronomische Angebote, ein erweitertes Vereinsmuseum und VIP-Logen sind Teil des neuen Konzepts. So entstehen zusätzliche Einnahmequellen – ein wichtiger Punkt angesichts des zunehmenden finanziellen Drucks auf viele Vereine.

Blick in die Zukunft

Die Nachfrage nach flexiblen, nachhaltigen Veranstaltungsorten wächst weltweit. Der Umbau des Camp Nou zeigt, wie moderne Bauweise, Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammenwirken können. Für Bauunternehmen wie Limak bietet dieser Wandel neue Möglichkeiten – vom Design über das Projektmanagement bis zur technischen Umsetzung.

Auch wenn der Zeitplan nicht eingehalten wird, entsteht in Barcelona etwas Langfristiges. Ein Stadion, das nicht nur Fans begeistert, sondern auch architektonisch und ökologisch Maßstäbe setzt.

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