Geht die Talfahrt im Wohnungsbau erst richtig los?

Von Dominik Hochwarth

Seit Monaten wird die Talfahrt des Wohnungsbaus thematisiert, doch überraschenderweise wurden 2023 nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes fast genauso viele Wohnungen wie 2022 fertiggestellt – rund 294.400 waren es letztlich. Also doch keine Krise? Aber ja doch, sind sich Ökonomen und die Baubranche sicher. Die Baukrise nimmt jetzt erst richtig Fahrt auf.

Wohnungsbau
Experten glauben, dass die Talfahrt im Wohnungsbau erst richtig losgeht

Rückgang im privaten Hausbau

Das Ziel der Bundesregierung, 400.000 neue Wohnungen zu bauen, wurde auch dieses Jahr nicht erreicht. Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Bauindustrie, betont: „Auch im Vorjahr wurden weniger Wohnungen gebaut, als der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum erfordert.“

Der Bau von Häusern wurde durch steigende Kreditzinsen und Baukosten teurer. Besonders betroffen sind Menschen, die sich den Traum vom eigenen Haus nicht mehr leisten können. Die Zahl der neuen Einfamilienhäuser sank um mehr als 9 Prozent auf 69.900. Bei Mehrfamilienhäusern, die meist von Investoren oder Wohnungsgesellschaften gebaut werden, gab es hingegen einen Anstieg um 4,1 Prozent auf 156.300 Neubauwohnungen.

Ministerin verbreitet Zuversicht

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) versucht, der schlechten Stimmung in der Baubranche mit einer positiven Botschaft zu begegnen. Sie sagt: „Die Baufertigstellungszahlen für 2023 zeigen ganz deutlich: Die Lage am Bau ist stabil.“ Doch diese Einschätzung teilen weder Ökonomen noch Unternehmen. Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, kritisiert: „Die heute veröffentlichten Baufertigstellungszahlen sind kein Grund, irgendetwas schönzureden.“

Wichtiger als die Anzahl der fertiggestellten Wohnungen sind die Wohnungsbaugenehmigungen und Bauaufträge. 2023 sank die Zahl der neuen Genehmigungen um über ein Viertel auf 260.100 Wohnungen, den niedrigsten Stand seit 2012. Auch 2022 gab es bereits einen deutlichen Rückgang. Üblicherweise dauert es laut Statistischem Bundesamt zwei Jahre, bis aus einer Genehmigung eine fertige Wohnung wird. Daher wird die gesunkene Zahl der Genehmigungen in den Jahren 2022 und 2023 erst dieses Jahr die Bautätigkeit voll treffen.

Einbruch im Bau erwartet

Die genaue Zahl der Bauaufträge ist unbekannt. Wirtschaftsforschungsinstitute berichten jedoch von vielen Baufirmen, die über Auftragsmangel klagen. Besonders im Wohnungsbau haben viele ihre Pläne verschoben oder aufgegeben. Der Hauptverband der Bauindustrie rechnet dieses Jahr mit etwa 250.000 neuen Wohnungen.

Noch pessimistischer ist das Münchner Ifo-Institut. Dessen Bau- und Immobilienexperte Ludwig Dorffmeister erwartet dieses Jahr nur 215.000 neue Wohnungen, davon 120.000 in Mehrfamilienhäusern. Dorffmeister warnt: „Die derzeitigen Genehmigungszahlen deuten klar nach unten, sodass in den nächsten Jahren immer weniger neue Projekte nachkommen werden.“

Der Wohnungsmangel in den Städten könnte sich weiter verschärfen, was zu steigenden Mieten führen wird. Auch ein Anstieg der Genehmigungszahlen würde aufgrund der langen Realisierungszeiten nicht zu einer schnellen Verbesserung führen. „Eine Trendwende bei den Fertigstellungen wird erst zeitverzögert sichtbar werden,“ so der Ökonom.

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