Holcim baut eines der ersten klimaneutralen Zementwerke der Welt

Von Dominik Hochwarth

Die Zementproduktion gilt als einer der größten Klimakiller, bei der Herstellung von einer Tonne Zement wird bis zu 600 kg CO2 freigesetzt. Das summiert sich weltweit auf eine Summe, die viermal so hoch ist wie beim globalen internationalen Flugverkehr. Mit rund acht Prozent weltweit ist die Zement- und Betonindustrie an den CO2-Emissionen beteiligt. Das könnte sich bald ändern. Holcim unternimmt einen großen Schritt in Richtung Zementwende. Gefördert mit 109,8 Millionen aus dem Topf der Europäischen Union, möchte das Unternehmen mit der thyssenkrupp Industrial Solutions AG als Technologiepartner bis 2029 am Standort Lägerdorf (Schleswig-Holstein) eines der ersten klimaneutralen Zementwerke der Welt eröffnen.

Zementwerk Lägerdorf
Das Zementwerk Lägerdorf von Holcim bei Nacht. Foto: Holcim

Wie wird Zement hergestellt?

Zement ist einer der wesentlichen Bestandteile von Beton. Er dient dort als Bindemittel und sorgt dafür, dass der Baustoff seine hohe Druckfestigkeit erhält. Auch in Mörtel, Putz oder Estrich kommt Zement zum Einsatz. Die wichtigsten Rohstoffe für die Herstellung von Zement sind Kalkstein, Ton und Mergel. Diese Gesteine werden im Zementwerk zusammen wie weiteren Zuschlagstoffen wie zum Beispiel Quarzsand oder Eisenerz ganz fein gemahlen, anschließend getrocknet und schließlich gebrannt.

Das Brennen des Rohmehls zu Zementklinker erfolgt bei 1450 Grad Celsius und ist der wichtigste Vorgang bei der Zementherstellung. Hier wird aber auch besonders viel CO2 freigesetzt. Wir haben eingangs geschrieben, wie hoch der Anteil der Zementindustrie am globalen Ausstoß von Kohlendioxid ist. Nach dem Brennen wird der Klinker abgekühlt und schließlich unter Zusatz von Gips, Anhydrit und zum Teil mit weiteren Zumahlstoffen wie Kalkstein, Hüttensand oder Flugasche zu Zement zermahlen.

Holcim möchte mit dem Geld aus der EU eine neue Ofenlinie bauen. Als ein Prototyp im industriellen Maßstab nutzt der Brennofen die Oxyfuel-Technologie der zweiten Generation sowie eine nachgeschaltete Kompressions- und Reinigungseinheit für das Kohlendioxid. Das Projekt Carbon2Business ist eines von zwei Projekten in Deutschland sowie 17 Projekten insgesamt, die die EU mit 1,8 Milliarden Euro aus dem Innovationsfonds fördert. Holcim selbst investiert einen dreistelligen Millionenbetrag in das Projekt.

„Wir entwickeln unser Werk in Schleswig-Holstein zu einem Vorreiter der grünen Zementproduktion. Das ist ein technologischer Leuchtturm mit internationaler Strahlkraft“, sagte Thorsten Hahn, CEO von Holcim Deutschland, am Rande der Financing Innovation Clean Tech Conference, in deren Rahmen die Übergabe der Förderurkunden erfolgte. „Die Förderung der EU ist ein wichtiger Meilenstein und ermöglicht uns, die Zementwende entschieden voranzutreiben.“

Bevor Holcim die Fördergelder erhalten hat, haben unabhängige Experten untersucht, ob das neue Verfahren im Vergleich zu herkömmlichen Technologien in der Lage ist, den Ausstoß von Treibhausgasen signifikant zu senken. Die Sachverständigen beurteilten zudem Reifegrad, Skalierbarkeit und Kostenwirksamkeit des geplanten emissionsfreien Zementwerks. Lesen Sie hier mehr über Zement.

Visualisierung der geplanten neuen Oxyfuel-Ofenlinie
Visualisierung der geplanten neuen Oxyfuel-Ofenlinie (blau). Grau markiert ist der Bestand, gelb die Anlage für die CO2-Abscheidung und grün die Luftzerlegeanlage. Foto: Holcim

Wie funktioniert das neue Verfahren zur CO2-Reduktion?

Bei dem neuen Verfahren soll das Kohlendioxid aus dem Zementwerk Lägerdorf zu einem Rohstoff für andere Industrie. Technische Unterstützung erhält Holcim hierbei durch die thyssenkrupp Industrial Solution AG. Das Unternehmen gilt als einer der führenden Partner für Planung, Bau und Service rund um industrielle Anlagen und Systeme.

“Der Erfolg der Energiewende entscheidet sich auch mit der Frage nach einer nachhaltigen, das heißt CO2-neutralen, Produktion von Baustoffen. Die pure oxyfuel-Technologie wird ein wesentlicher Teil der Antwort sein und so zum Gelingen der grünen Transformation der Zementindustrie beitragen“, sagt Pablo Hofelich, CEO der Business Unit Polysius bei thyssenkrupp Industrial Solutions.

Der größte Unterschied des Oxyfuel-Verfahrens im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren der Zementherstellung liegt darin, dass statt Umgebungsluft reiner Sauerstoff den Brennvorgang im Zementofen speist. Dieser Sauerstoff wird zuvor in einem Elektrolyse-Verfahren gewonnen – aus Wasser und Strom aus erneuerbaren Energien entstehen Wasserstoff und Sauerstoff. Für den grünen Wasserstoff gibt es sicherlich ebenfalls zahlreiche Verwendungsmöglichkeiten.

Dank des reinen Sauerstoffs im Brennvorgang entsteht hochreines Kohlenstoffdioxid, das abgeschieden wird. Durch anschließende Methanolsynthese lässt es sich zu Methanol verarbeiten oder kann als Grundstoff für die chemische Industrie aufbereitet werden. Diese kann daraus zum Beispiel Kunststoffe herstellen. Für die Aufbereitung des abgeschiedenen Kohlendioxids arbeitet Holcim eng mit dem Spezialisten von Linde Engineering zusammen. Das Unternehmen rechnet damit, dass durch das neue Verfahren jährlich rund 1,2 Millionen Tonnen CO2 allein am Standort Lägerdorf vermieden werden können.

„Gemeinsam mit unseren Partnern entwickeln wir an Schleswig-Holsteins Westküste und an unserem Standort in Lägerdorf ein effizientes Kreislaufkonzept im Rahmen einer innovativen Wasserstoffwirtschaft, das der Zementindustrie und anderen Branchen weltweit als Vorbild dienen kann“, erklärt Arne Stecher, Leiter Dekarbonisierung bei Holcim Deutschland. „Durch innovative Technologie gelingt es uns erstmals, das CO2 nahezu vollständig abzuscheiden. Dadurch lässt es sich veredeln und letztlich als Rohstoff in der Industrie nachhaltig weiterverwenden.“

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