Wie funktioniert serielles Sanieren?

Von Dominik Hochwarth

Deutschlands Gebäudebestand steht vor einer Herausforderung: Bis 2045 sollen alle Häuser klimaneutral sein. Doch noch immer sind rund 14 Millionen Wohngebäude in einem schlechten energetischen Zustand. Die konventionelle Sanierung kommt kaum hinterher: Sie ist teuer, aufwändig und langwierig. Eine Alternative bietet die serielle Sanierung. Sie verspricht Schnelligkeit, Effizienz und Planbarkeit.

Dabei geht es um weit mehr als eine neue Bauweise. Serielles Sanieren bedeutet einen Paradigmenwechsel: Statt Einzelmaßnahmen auf der Baustelle werden Sanierungselemente industriell vorgefertigt und anschließend direkt montiert. Das spart Zeit, senkt Kosten und sorgt für gleichbleibend hohe Qualität.

vorgefertigtes Bauteil
Serielles Sanieren setzt auf vorgefertigte Bauteile – wie wir sie bereits vom Fertighausbau kennen

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Was bedeutet „serielle Sanierung“?

Das Wort „serienmäßig“ beschreibt bereits den Kern des Verfahrens: Statt auf der Baustelle jedes Detail einzeln zu bearbeiten, entstehen Bauelemente wie Fassaden- oder Dachdämmung in der Produktionshalle. Dort werden sie auf Basis eines digitalen Zwillings des Hauses millimetergenau hergestellt.

Anschließend erfolgt die Montage am Bestandsgebäude. Ein Kran hebt die Module an ihren Platz. Die Bauzeit vor Ort schrumpft von Monaten auf wenige Wochen. Bewohnende müssen ihr Zuhause währenddessen oft nicht verlassen.

Wie läuft eine serielle Sanierung ab?

Der erste Schritt ist die Bestandsaufnahme. Eine Fachfirma erstellt mit Laserscans und Drohnen ein 3D-Modell des Hauses. Dieser digitale Zwilling dient als Grundlage für die Planung der Bauelemente. Daraus entstehen passgenaue Module für Dach, Fassade und Technik.

Diese enthalten oft mehr als nur Dämmung: Fenster, Rollläden, Lüftungsanlagen oder Photovoltaikanlagen sind bereits integriert. In manchen Fällen wird die komplette Haustechnik in einem vorinstallierten Energie-Modul mitgeliefert.

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Welche Häuser lassen sich seriell sanieren?

Besonders gut geeignet sind Wohngebäude aus den 1950er- bis 1970er-Jahren. Ihre klaren Grundrisse, einfachen Fassaden und fehlenden Vor- und Rücksprünge erleichtern die Planung. Aber auch Einfamilienhäuser kommen zunehmend infrage. Erste Pilotprojekte zeigen: Die Methode funktioniert auch im kleinen Maßstab.

Langfristig sollen Module entwickelt werden, die auch auf komplexe Gebäudeformen passen. Erker, Gauben und Balkone sollen durch anpassbare Elemente berücksichtigt werden können.

Welche Vorteile hat serielles Sanieren?

Die Vorteile liegen in mehreren Bereichen:

  • Zeitersparnis: Die Vorfertigung reduziert die Baustellenzeit um bis zu 70 %.
  • Kostensicherheit: Fixe Preise, weniger Unwägbarkeiten.
  • Gleichbleibende Qualität: Produktion unter kontrollierten Bedingungen.
  • Bewohnbarkeit: Meist kein Auszug notwendig.
  • Klimafreundlich: Kombination mit Photovoltaik und Wärmepumpe möglich.

Ein großer Pluspunkt: Die Sanierung bringt das Haus nicht nur auf den neuesten energetischen Stand, sondern oft auch gestalterisch auf ein neues Niveau.

Wie wird serielles Sanieren gefördert?

Seit Anfang 2023 erhalten private Bauherrinnen und Bauherren einen speziellen Bonus, wenn sie ihr Haus seriell sanieren lassen. Wer ein Effizienzhaus 40 oder 55 mit vorgefertigten Fassaden- oder Dachelementen erreicht, bekommt 15 % der Kosten als Tilgungszuschuss von der KfW.

Wichtig: Die Module müssen auf Basis eines digitalen 3D-Aufmaßes gefertigt worden sein. Mindestens 80 % der Fassade müssen mit den vorgefertigten Teilen erneuert werden. Fenster müssen ab Werk eingebaut sein.

Zusätzlich lassen sich weitere Boni kombinieren, etwa für besonders ineffiziente Gebäude oder für die Nutzung erneuerbarer Energien. Die Höchstförderung liegt aktuell bei 20 %.

Hier geht es zur KfW

Woher kommt das Prinzip?

Entwickelt wurde das Konzept in den Niederlanden unter dem Namen „Energiesprong“. Dort wurden bereits über 5.000 Wohnungen seriell saniert. Ziel ist es, Gebäude zu sogenannten „NetZero“-Häusern zu machen – sie erzeugen im Jahresmittel so viel Energie, wie sie verbrauchen.

In Deutschland gibt es mittlerweile zahlreiche Modellprojekte. In München, Frankfurt und Bochum wurden ganze Wohnblöcke im bewohnten Zustand modernisiert. Auch für Kitas und Schulen wird das Verfahren getestet.

Was kostet serielles Sanieren?

Die Investitionen sind zu Beginn höher als bei manchen Einzelmaßnahmen. Dafür sparen Sie langfristig an Energie- und Wartungskosten. Durch die Förderung und die sinkenden Modulpreise rechnen sich viele Projekte. Besonders für sogenannte Worst Performing Buildings mit sehr hohem Energieverbrauch kann sich die Sanierung schnell lohnen.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung?

Digitale Werkzeuge sind der Schlüssel zur seriellen Sanierung. Vom ersten Laserscan bis zum Monitoring nach dem Einbau begleiten sie den gesamten Prozess. Ein durchgängiger digitaler Workflow sorgt für Tempo, Genauigkeit und Transparenz.

Nach der Sanierung helfen smarte Strom- und Wärmezähler beim Energie-Monitoring. So lassen sich Optimierungen vornehmen und der Energieverbrauch im Blick behalten.

Anzahl der seriellen Sanierungen stark gestiegen

In den vergangenen Jahren ist die Nachfrage nach seriellen Sanierungen in Deutschland deutlich gestiegen. Möglich wurde das durch gezielte Fördermaßnahmen wie den BEG-Bonus, der seit 2023 greift. Während der Anteil an seriellen Sanierungen vor wenigen Jahren noch bei unter 2 % lag, werden inzwischen fast 23 % aller BEG-geförderten Sanierungen seriell umgesetzt.

Laut der Deutschen Energie-Agentur wurden bis Anfang 2024 bereits mehr als 11.000 Wohneinheiten mit seriellem Verfahren saniert oder dafür Fördermittel bewilligt. Besonders stark ist die Nachfrage in Bayern und Nordrhein-Westfalen. Hier befinden sich viele Modellprojekte, darunter ganze Wohnquartiere.

Anbieter reagieren auf steigende Nachfrage

Der steigende Bedarf wirkt sich positiv auf den Markt aus. Anbieter investieren in neue Produktionskapazitäten, die Vorfertigung wird weiterentwickelt und erste Skaleneffekte machen sich bemerkbar. Das führt zu sinkenden Kosten und kürzeren Planungszeiten. So konnte bei einem Projekt in Mönchengladbach die Planungszeit pro Fassade auf nur vier Tage reduziert werden.

Auch bei Ein- und Zweifamilienhäusern zeigt sich ein wachsendes Interesse. Erste Anbieter spezialisieren sich auf diesen Bereich und entwickeln passende Module. Damit wird serielles Sanieren immer mehr zum Standardverfahren – nicht nur für große Wohnblöcke, sondern auch für private Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer.

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